Kopftuch am Arbeitsplatz

7 Fragen zum Kopftuch am Arbeitsplatz

Der Spagat zwischen Glaube und Job gelingt nicht immer. Deutlich zeigt dies die neueste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die einer Rechtsreferendarin das Tragen des Kopftuchs im Dienst untersagt. Muslimas geraten immer wieder in Konflikt mit dem Arbeitgeber. Der EuGH gesteht Arbeitgebern unter bestimmten Voraussetzungen entsprechende Verbote zu.

  1. 1. Darf ein Arbeitgeber das Tragen des Kopftuchs in seinem Betrieb generell verbieten?
    Nein. Arbeitgeber können zwar grundsätzlich durch Weisungsrechte gegenüber den Beschäftigten festlegen wie sie zur Arbeit zu erscheinen haben. Generell darf das Tragen eines Kopftuchs als Ausdruck der Glaubenszugehörigkeit aber nicht verboten werden, da es dem Grundrechtsschutz des Art. 4 Abs. 1 und 2 Grundgesetz (GG) unterliegt. Vielmehr müssen auf Seiten des Arbeitgebers zwingende und „objektiv rechtfertigende“ Gründe dafür sprechen, dass das Tragen nicht zu dulden ist. Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kann der Arbeitgeber das Tragen verbieten, wenn eine ausdrückliche Regelung im Betrieb besteht, dass sämtliche religiöse Symbole verboten sind und dem Kunden gegenüber politische und weltanschauliche Neutralität gewahrt werden soll (EuGH Urteil vom 14. März 2017 – C-188/15- Rn. 33).
  1. 2. Was ist, wenn es im Betrieb keine Regel gibt, der Arbeitgeber aber dennoch einzelnen Muslima das Tragen des Kopftuches verbietet?
    Das muss von den Arbeitnehmerinnen nicht hingenommen werden. Der EuGH stellte klar, dass ein Kopftuchverbot nur dann rechtmäßig und nicht diskriminierend ist, wenn eine Regelung oder Richtlinie im Betrieb existiert, die allen Arbeitnehmerinnen das Tragen von sämtlichen religiösen Symbolen verbietet. Wenn es also keine Regelung gibt und lediglich einzelnen Muslima das Tragen untersagt wird, dann werden diese nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (AGG) diskriminiert. Eine darauf gestützte Kündigung oder Abmahnung ist dann nach dem AGG unwirksam.
  2. 3. Macht es einen Unterschied, ob die kopftuchtragende Person im Backoffice oder im Kundenbereich arbeitet?
    Ja. Kopftuchverbote können nur dann rechtmäßig sein, wenn der „objektiv rechtfertigende Grund“ des Arbeitgebers darin liegt, dass das Unternehmen die religiöse und weltanschauliche Neutralität gegenüber ihren Kunden wahren will. Wenn aber eine Tätigkeit ohne jeglichen Kundenkontakt ausgeübt wird, dann kann der Grund der Neutralitätswahrung nicht greifen. Das Verbot ist damit rechtswidrig.
  3. 4. Kann der Arbeitgeber das Tragen von Kreuzen als Schmuck erlauben, das Tragen des Kopftuches verbieten?
    Nein. Damit es rechtmäßig ist, das Tragen von Kopftüchern zu verbieten, müssen auch sämtliche andere religiöse Symbole verboten werden. Erlaubt der Arbeitgeber andere Symbole, wozu das Tragen einer Halskette mit Kreuz oder das Aufhängen eines Kruzifixes nun mal auch zählt, dann ist das Verbot des Kopftuchs nicht gerechtfertigt und damit diskriminierend.
  4. 5. Kann der Arbeitgeber kündigen, wenn die Arbeitnehmerin das Kopftuchverbot ignoriert und einfach weiter ein Kopftuch trägt?
    Es kommt darauf an. Kommt eine Arbeitnehmerin der Aufforderung des Arbeitgebers nicht nach und trägt ein Kopftuch weiterhin, dann stellt das zunächst ein Verstoß gegen arbeitsrechtliche Weisungspflichten dar und eine Kündigung scheint möglich. Allerdings ist die Kündigung das schärfste Mittel des Arbeitgebers auf ein Fehlverhalten der Arbeitnehmerin zu reagieren. Wenn der Arbeitnehmerin ein anderer Arbeitsplatz z.B. ohne Kundenkontakt zugewiesen werden kann, dann ist eine Kündigung unwirksam.
  5. 6. Was sagt das Bundesverfassungsgericht?
    Im öffentlichen Dienst zum Beispiel sind strengere Auflagen an die Arbeitnehmerin gestellt, was das Tragen von Kopftüchern angeht, da Deutschland ein religiös und weltanschaulich neutraler Staat ist und die Angestellten und Beamten das Neutralitätsgebot beachten müssen. Ein pauschales Kopftuchverbot verstößt selbst im öffentlichen Dienst gegen das Grundgesetz, so entschied es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG Beschluss vom 27. Januar 2015- 1 BvR 471/10). In der neusten Entscheidung des BVerfG ist einer Rechtsreferendarin verboten worden, ein Kopftuch bei Sitzungsvertretungen der Amtsanwaltschaft, bei Verhandlungen auf der Richterbank und während Anhörungsausschüssen zu tragen, da, aufgrund der zeitlichen und örtlichen Beschränkung ein geringer Eingriff durch das Gebot der Neutralität gerechtfertigt ist (BVerfG, Beschluss vom 27. 6.2017- 2 BvR 1333/17 – Pressemitteilung Nr. 55/2017 vpm 4.7.2017).
  6. 7. Was können Betriebsräte tun, wenn es im Betrieb Streit gibt?
    Der Betriebsrat kann, wenn es um Fragen der betrieblichen Ordnung und das Verhalten des Arbeitgebers geht nach § 87 Abs. 1 Nr.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) mitbestimmen. Er hat unter anderem bei der Einführung und Ausgestaltung einer Kleiderordnung ein Mitbestimmungsrecht und kann daher die Einführung eines Kopftuchverbots (nach Ansicht des EuGH ist eine Regelung erforderlich s.o.) beeinflussen. Wenn eine Kündigung eines Arbeitnehmers im Raum steht, dann muss der Betriebsrat vorher nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört werden. Versäumt der Arbeitgeber die Anhörung oder ist diese unvollständig und fehlerhaft, dann ist eine ausgesprochene Kündigung unwirksam. Der Betriebsrat kann zur beabsichtigten Kündigung eine Stellungnahme abgeben. Nach den in Abs. 3 genannten Gründen, kann der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung widersprechen. Der Arbeitnehmer muss dann weiterbeschäftigt werden (§102 Abs. 5 BetrVG). Beim Ausspruch einer Abmahnung stehen dem Betriebsrat keine Beteiligungsrechte zu, da es ein individualarbeitsrechtliches Rügerecht darstellt (BAG, 17.01.1989, 1 ABR 100/88- Rn. 39). Kommt der abgemahnte Arbeitnehmer aber zum Betriebsrat und beschwert sich nach §§ 84 Abs.1 und 85 Abs. 1 BetrVG, dann kann der Betriebsrat beim Arbeitgeber Abhilfe verlangen und ggf. eine Einigungsstelle einschalten.

Quellen:

BVerfG, Beschluss vom 27. 6.2017- 2 BvR 1333/17 – Pressemitteilung Nr. 55/2017 vom 4.7.2017
EuGH Urteil vom 14. März 2017 – C-188/15
BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2015- 1 BvR 471/10
BAG Urteil vom  17.01.1989, 1 ABR 100/88

Peter Voigt
Abteilung Arbeits- und Sozialrecht

 

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