Auch der Abgeltungsanspruch für nicht genommenen Urlaub verjährt in drei Jahren nach Ende des Arbeitsverhältnisses. Für Altansprüche aus der Zeit vor dem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs 2018 beginnt diese Frist aber erst Ende 2018 zu laufen – so das Bundesarbeitsgericht.
Hintergrund
Im Jahr 2018 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Urlaub, den der Arbeitnehmer nicht im Bezugszeitraum (Urlaubsjahr) genommen hat, nur dann verfällt, wenn der Arbeitgeber ihn rechtzeitig auf den bestehenden Urlaubsanspruch und dessen drohenden Verfall hingewiesen und ihn in die Lage versetzt hat, den Urlaub auch zu nehmen (EuGH 6.11.2018 – C-684/16). Diese Rechtsprechung hat das BAG übernommen und dahin weiterentwickelt, dass sie nicht nur für den Verfall des Urlaubs nach § 7 Abs. 3 BUrlG gilt, sondern auch für die gesetzliche Verjährung des Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsanspruchs (§§ 194, 195 BGB).
Darum geht es
Im vorliegenden Urteil geht das BAG der Frage nach, wann die dreijährige Verjährungsfrist in so genannten Altfällen zu laufen beginnt, also für Urlaubs- und Abgeltungsansprüche aus der Zeit vor Ergehen des EuGH-Urteils (EuGH 6.11.2018 – C-684/16).
Der Kläger war seit dem 9. Juni 2010 in der Flugschule seiner Arbeitgeberin als Ausbildungsleiter beschäftigt. Allerdings erhielt er seinen jährlichen Urlaub von 30 Arbeitstagen nicht gewährt. Zum 19. Oktober 2015 verständigten sich die Parteien darauf, dass der Kläger in der Folgezeit als selbstständiger Dienstnehmer für die Beklagte tätig werden sollte. Im August 2019 erhob der Fluglehrer allerdings Klage und verlangte die Abgeltung von Urlaub aus seiner Beschäftigungszeit vor der Vertragsänderung. Die Arbeitgeberin erhob die Einrede der Verjährung. Arbeits- und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab (LAG Niedersachsen, 20.8.2020 – 5 Sa 614/20).
Das sagt das BAG
Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte der Kläger in der Revision Erfolg. Der für das Urlaubsrecht zuständige 9. Senat des BAG sprach ihm als Abgeltung für nicht genommenen Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2014 insgesamt 37.416,50 Euro zu. Bezogen auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015 blieb die Klage erfolglos. Dies begründet das Gericht mit den unterschiedlichen Verjährungsregeln für Urlaub und Urlaubsabgeltung.
a) Verjährung des Urlaubsanspruchs
Der Senat hatte Ende 2022 entschieden, dass Urlaubsansprüche verjähren können, die dreijährige Verjährungsfrist jedoch erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallfristen aufgefordert hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen (BAG 20.12.2022- 9 AZR 266/20). Hat der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, kann der nicht erfüllte gesetzliche Urlaub aus möglicherweise mehreren Jahren im laufenden Arbeitsverhältnis weder nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen noch nach § 195 BGB verjähren und ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.
b) Verjährung des Urlaubsabgeltungsanspruchs
Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, unterliegt seinerseits der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Dabei komme es, so das BAG, nicht auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten an. Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei allein auf finanzielle Kompensation des nicht genommenen Urlaubs beschränkt, so dass der Kläger nicht mehr so schutzbedürftig sei wie als Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses.
c) Beginn der Verjährungsfrist
Allerdings habe die Verjährungsfrist für die Ansprüche des Klägers aus 2010 bis 2014 erst Ende 2018 zu laufen begonnen. Bei einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Anwendung der Verjährungsregelungen kann die Verjährungsfrist nicht beginnen, solange eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar ist.
Von dem Kläger konnte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 19. Oktober 2015 nicht erwartet werden, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2010 bis 2014 gerichtlich durchzusetzen. Der BAG-Senat ging zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen.
Endete das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6. November 2018* und war es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben. Daher konnte die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende des Jahres 2018 beginnen. Damit war die 2019 erhobene Klage noch rechzeitig.
d) Anspruch nur für 2015 verjährt
Dagegen sei der Anspruch des Klägers auf Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2015 verjährt. Schon auf Grundlage der früheren Rechtsprechung musste der Kläger erkennen, dass die Beklagte Urlaub aus diesem Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, abzugelten hatte. Die dreijährige Verjährungsfrist begann deshalb Ende des Jahres 2015 und endete mit Ablauf des Jahres 2018. Der Kläger hat die Klage erst im Jahr 2019 erhoben.
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Quelle
BAG (31.01.2023)
Aktenzeichen 9 AZR 456/20
BAG Pressemitteilung vom 31.1.2023