BAG: Wann Urlaubstage tatsächlich verfallen

Konnte ein Arbeitnehmer in einem Jahr aus gesundheitlichen Gründen keinen Urlaub nehmen, besteht ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten. Hat der Arbeitnehmer in diesem Jahr gearbeitet, erlischt der Urlaub allerdings nur, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflichten erfüllt hat – so das BAG.

Darum geht es

Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er ist bei der beklagten Flughafengesellschaft als Frachtfahrer im Geschäftsbereich Bodenverkehrsdienste beschäftigt. In der Zeit vom 1. Dezember 2014 bis mindestens August 2019 konnte er wegen voller Erwerbsminderung aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeitsleistung nicht erbringen und deshalb seinen Urlaub nicht nehmen. Mit seiner Klage hat er ua. geltend gemacht, ihm stehe noch Resturlaub aus dem Jahr 2014 zu. Dieser sei nicht verfallen, weil die Arbeitgeberin ihren Obliegenheiten, an der Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub mitzuwirken, nicht nachgekommen sei. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Das sagt das BAG

Während das BAG die Revision des Arbeitnehmers zum Teil aus prozessualen Gründen zurückgewiesen hat, hatte er hinsichtlich seines Resturlaubs aus dem Jahr 2014 Erfolg. Denn der im Jahr 2014 nicht genommene Urlaub des Klägers ist nicht allein aus gesundheitlichen Gründen verfallen, so das BAG.

Der Anspruch auf den Mindesturlaub erlischt regelmäßig nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten, wenn der Arbeitgeber ihn rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen. Dies folgt aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG.

Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers

Grundsätzlich erlöschen Urlaubsansprüche nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor durch Erfüllung sog. Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Besonderheiten bestehen, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen konnte.

Nach bisheriger Senatsrechtsprechung gingen die gesetzlichen Urlaubsansprüche in einem solchen Fall – bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit – ohne weiteres mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres unter („15-Monatsfrist“). Diese Rechtsprechung hat der Senat in Umsetzung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs aufgrund der Vorabentscheidung vom 22. September 2022 (- C-518/20 und C-727/20 – [Fraport]), um die ihn der Senat durch Beschluss vom 7. Juli 2020 (- 9 AZR 401/19 (A) -) ersucht hat, weiterentwickelt.

Mitwirkungspflicht entfällt nur bei durchgehender Verhinderung

Danach verfällt weiterhin der Urlaubsanspruch mit Ablauf der 15-Monatsfrist, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten. Für diesen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, weil diese nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätten beitragen können.

Hat der Arbeitnehmer gearbeitet, muss der Arbeitgeber den Urlaub ermöglichen

Anders verhält es sich jedoch, wenn der Arbeitnehmer – wie vorliegend der Kläger – im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden ist. In dieser Fallkonstellation setzt die Befristung des Urlaubsanspruchs regelmäßig voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage zu versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen.

Der für das Jahr 2014 im Umfang von 24 Arbeitstagen noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch konnte danach nicht allein deshalb mit Ablauf des 31. März 2016 erlöschen, weil der Kläger nach Eintritt seiner vollen Erwerbsminderung mindestens bis August 2019 aus gesundheitlichen Gründen außerstande war, seinen Urlaub anzutreten. Der Resturlaub blieb ihm für dieses Jahr vielmehr erhalten, weil die Beklagte ihren Mitwirkungsobliegenheiten bis zum 1. Dezember 2014 nicht nachgekommen ist, obwohl ihr dies möglich war.

Hinweis für die Praxis

Das BAG hat seine Rechtsprechung zum Verfall von Urlaub in einem wichtigen Punkt weiterentwickelt: Die Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers im Urlaubsjahr bleiben bestehen:

  • auf den bestehenden Urlaubsanspruch und die bevorstehenden Verfalltermine hinweisen
  • dem Arbeitnehmer tatsächlich ermöglichen, den Urlaub zu nehmen

Sie entfallen nur, wenn es im Ergebnis nicht darauf ankommt, also wenn der Arbeitnehmer im Verfallszeitraum durchgehend gehindert war, den Urlaub zu nehmen. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitnehmer im fraglichen Jahr gearbeitet hat hat. Für den Urlaub eines solchen Jahres beginnt die Verfallfrist von 15 Monaten erst zu laufen, wenn der Arbeitgeber seine Obliegenheiten erfüllt hat.

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