Bundesarbeitsgericht: Keine Schulnoten im Arbeitszeugnis

Mit stichpunktartigen und tabellarischen Auflistungen sowie Leistungsbewertungen im Schulnotensystem ist der Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis nicht zu erfüllen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt.

Das war der Fall

Die Parteien stritten über den Inhalt eines qualifizierten Zeugnisses. Der Arbeitnehmer war der Auffassung, die mit der Aufgabenstellung überschriebene Tätigkeitsbeschreibung sei aus sich heraus nicht verständlich. Die tabellarische Darstellung der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung nach stichwortartigen, mit Schulnoten versehenen Bewertungskriterien sei unüblich und könne deshalb einen negativen Eindruck hervorrufen. Zudem seien die Beurteilungen unzutreffend. Er habe stets gute Leistungen erbracht und sich gegenüber Vorgesetzten, Kolleg*innen und Kund*innen stets einwandfrei verhalten.

Das sagt das Gericht

Arbeitnehmer*innen haben bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch nach § 109 Abs. 1 Satz 1 GewO auf ein schriftliches Zeugnis, das nach § 109 Abs. 1 Satz 2 GewO Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten muss. Sie können gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. § 109 Abs. 2 GewO sieht vor, dass das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein muss und keine Merkmale oder Formulierungen enthalten darf, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder dem Wortlaut ersichtliche Aussage über die Arbeitnehmer*innen zu treffen. Inhaltliche Anforderungen sind das Gebot der Zeugniswahrheit und das in § 109 Abs. 2 GewO auch ausdrücklich normierte Gebot der Zeugnisklarheit. Maßstab bei den Formulierungen im Zeugnis ist ein wohlwollender verständiger Arbeitgeber. Der Arbeitgeber hat insoweit einen Beurteilungsspielraum.

Mit dem Arbeitszeugnis vom 30. Juni 2018 hat die Arbeitgeberin ihren Beurteilungsspielraum überschritten. Eine Leistungs- und Verhaltensbeurteilung in Form einer tabellarischen Darstellung und Bewertung stichwortartig beschriebener Tätigkeiten nach Schulnoten reicht für ein qualifiziertes Zeugnis nach § 109 GewO nicht, so das BAG. Das qualifizierte Zeugnis muss individuell auf den einzelnen Arbeitnehmenden zugeschnitten sein. Regelmäßig enthält ein Arbeitszeugnis Bewertungskriterien wie Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten, Geschicklichkeit und Sorgfalt sowie Einsatzfreude und Einstellung zur Arbeit. Bei den Angaben über das Verhalten von Arbeitnehmenden ist insbesondere ihr Verhältnis gegenüber Mitarbeiter*innen und Vorgesetzten sowie ihr Einfügen in den betrieblichen Arbeitsablauf zu beurteilen.

Nur geringer Informationswert

Ein Zeugnis, in dem – wie vorliegend – eine Vielzahl einzelner Bewertungskriterien gleichrangig nebeneinander aufgeführt und mit Schulnoten bewertet wird, verfügt nicht über den erforderlichen Informationswert. Die prägenden Merkmale verlieren im Kontext der übrigen Bewertungskriterien ihre Bedeutung. Besondere Eigenschaften, Kenntnisse oder Fähigkeiten, die den Arbeitnehmenden für neue Arbeitgeber interessant machen könnten, lassen sich daraus nicht ableiten. Das Zeugnis entfaltet nur geringe Aussagekraft (vgl. Plitt/Brand DB 2018, 1986, 1989). Es bleibt der Interpretation des Zeugnislesenden überlassen, welche Aspekte im Arbeitsverhältnis einen besonderen Stellenwert gehabt haben könnten. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat die von der Beklagten gewählte Tabellenform daher nicht die dem Zweck eines qualifizierten Zeugnisses genügende Aussagekraft. Es könnten beispielsweise keine Nuancen des beendeten Arbeitsverhältnisses herausgearbeitet werden, so das BAG.

Auch die Tätigkeitsbeschreibung ist hier nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Diese soll Aufschluss über die während des Arbeitsverhältnisses unter Beweis gestellten Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse geben und zeigen, in welchem Aufgabengebiet der Arbeitnehmende tatsächlich eingesetzt war – eine stichwortartige Aufzählung genügt nicht.

Das muss die Interessenvertretung wissen

„Setzen, sechs!“ hieß es in diesem Fall für die Arbeitgeberin. Qualifiziertes Zeugnis bedeutet nämlich auch qualifizierte Arbeit seitens der Arbeitgeberseite: Ein paar Stichpunkte und eine Tabelle genügen nicht. Das Zeugnis dient möglichen künftigen Arbeitgebern als Entscheidungsgrundlage bei der Einstellung. Daher muss es Informationen liefern, die dafür geeignet sind. Eine Tabelle und Schulnoten haben nicht die nötige Aussagekraft, es fehlen für das BAG die Details und Feinheiten.

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