Twittern

Der Betriebsrat darf Twittern

Der Arbeitgeber kann dem Betriebsrat nicht verbieten, sich über einen Twitter-Account zu betrieblichen Angelegenheiten zu äußern. Auch der Betriebsrat genießt den Schutz der Meinungsfreiheit.

Arbeitgeberin und Betriebsrat streiten darüber, ob der Betriebsrat sich zu betrieblichen Angelegenheiten über einen Twitter-Account äußern darf.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen, das mehrere psychiatrische Fachkliniken betreibt. Der bei ihr gewählte Betriebsrat hat über Twitter von Februar bis April 2017 eine Reihe von Tweets veröffentlicht:

  • #Einigungsstelle #Urlaub abgeschlossen, #Urlaubsanträge genehmigt. #Newsletter kommt zeitnah in die Bereiche!
  • #Einvernehmen herrscht immer, wenn kein unmittelbarer Zwang ausgeübt wird.
  • #BR ist deshalb gegen #Dienstplanänderung im Einvernehmen.
  • Möglichkeit zum vorzeitigen #Stufenaufstieg nach #TvÖD nutzen! Bei besonders guten Leistungen durch Antrag möglich. Mit Vorgesetzten reden.
  • BV #ClinicPlaner angeschlossen! Die #Einigungsstelle ist damit beendet und es gibt eine tragfähige Regelung zum #Dienstplanprogramm

Die Arbeitgeberin meint, der Betriebsrat habe gegen die Grundsätze der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen, indem über die Tweets seine Meinung zu betrieblichen Angelegenheiten kundtut.

Der Betriebsrat dürfe, so die Arbeitgeberin,  die außerbetriebliche Öffentlichkeit nicht über interne Vorgänge informieren. Dies gehöre nicht zu seinen Aufgaben.

Die Arbeitgeberin will vom Arbeitsgericht festgestellt haben, dass der Betriebsrat nicht berechtigt ist, sich über einen Twitter-Account zu betrieblichen Angelegenheiten zu äußern, wenn sich die Arbeitgeberin nicht selbst schon per Twitter oder im Internet zu diesen Fragen geäußert hat.

LAG Niedersachsen: »Maulkorb«-Antrag ist unbegründet

Das LAG Niedersachsen gab dem Betriebsrat Recht. Der Antrag der Arbeitgeberin ist so weit gefasst, dass er als so genannter Globalantrag unbegründet ist. Der Antrag erfasse sämtliche Äußerungen zu betrieblichen Angelegenheiten, also auch Situationen, in denen sich der Betriebsrat auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen kann.

Beispielsweise sei es von der Meinungsfreiheit gedeckt, dass der Betriebsrat sich zu einer geplanten und in der Presse besprochenen Betriebsstillegung äußert. Der Betriebsrat müsse nicht darauf warten, dass die Arbeitgeberin eine öffentliche Diskussion eröffnet, so die Richter.

Betriebsrat ist eingeschränkt grundrechtsfähig

Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Entscheidend ist, ob die Vereinigung zu einer eigenständigen Willensbildung und zu einem eigenen Handeln fähig ist.

Dies ist auch der Betriebsrat als Gremium. Soweit der Betriebsrat eigene Rechte wahrnimmt und eigene Pflichten erfüllt, ist ihm eine begrenzte Rechtsfähigkeit zuzugestehen. Der Betriebsrat kann sich daher auf die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen und selbst entscheiden, wann er öffentliche Stellungnahmen abgibt, so das LAG Niedersachsen.

Da das Bundesarbeitsgericht (BAG) noch nicht über die Frage entschieden hat, ob der Betriebsrat grundrechtsfähig ist, hat das LAG die Revision zugelassen. Der Rechtsstreit ist beim BAG noch anhängig (7 ABR 9/19).

Hinweis für die Praxis

Weder der Betriebsrat noch der Arbeitgeber dürfen den Betriebsfrieden stören. Das gehört zur vertrauensvollen Zusammenarbeit. Wahrheitswidrige oder gar ehrverletzende Behauptungen sind tabu. Welcher Medien sich der Betriebsrat bedient – schwarzes Brett, Betriebsversammlung, Intranet oder Twitter-Account – ist ihm überlassen.

Allerdings gebietet die Friedenspflicht, Konflikte möglichst innerbetrieblich auszutragen. Damit ist nicht vereinbar, einen Konflikt in die Medien zu verlagern, um Druck auf die Gegenseite auszuüben.

Hat der Betriebsrat etwas innerbetrieblich veröffentlicht, kann er nicht belangt werden, wenn ein Belegschaftsmitglied die Mitteilung an Dritte weiterleitet. Der Betriebsrat musste bereits bei dem Schritt in die Öffentlichkeit prüfen, ob dies zulässig war oder nicht.

Margit Körlings, DGB Rechtschutz GmbH

Quelle : LAG Niedersachsen (06.12.2018)
Aktenzeichen 5 TaBV 107/17
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 21.8.2019.

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