Urteil

Nur dreiwöchige Sperre bei Arbeitslosengeld-Bezug

Die Bundesagentur für Arbeit hat auf das Sperrzeit-Urteil des Bundessozialgerichts vom 27. Juni 2019 reagiert und verhängt vorerst während des Bezugs von Arbeitslosengeld nur noch dreiwöchige Sperrzeiten, wie die »Soziale Sicherheit« 8/2019 berichtet.

Zwischen Anfang 2015 und Juni 2019 haben die Arbeitsagenturen danach bei Beziehern der Versicherungsleistung ALG knapp 150.000 Sperrzeiten wegen »versicherungswidrigen Verhaltens« verhängt. Ein großer Teil dieser Sperrzeiten – nämlich die sechs- und zwölfwöchigen – waren nach den aktuellen Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) rechtsunwirksam (Az.: B 11 AL 14/18 R und B 11 AL 17/18 R).  Grundsätzlich gilt: ALG-Bezieher, die eine von der Arbeitsagentur angebotene zumutbare Stelle oder berufliche Eingliederungsmaßnahme ohne wichtigen Grund nicht annehmen bzw. abbrechen, riskieren eine Sperrzeit. Beim ersten Regelverstoß gibt es eine dreiwöchige Sperre des ALG. Beim zweiten und dritten Verstoß werden noch weitere sechs bzw. zwölf Wochen Sperrzeit fällig (§ 159 Abs. 4 SGB III). Die Angebote der Arbeitsagenturen sind mit Rechtsfolgenbelehrungen versehen, die jeweils im »Dreier-Pack« für den Fall der Ablehnung alle drei möglichen Sperrzeitdauern androhen (siehe Kasten).

Die unwirksame Rechtsfolgenbelehrung

»Wenn Sie ohne wichtigen Grund die Ihnen angebotene Beschäftigung nicht annehmen oder nicht antreten oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch Ihr Verhalten verhindern (z.B. indem Sie sich nicht vorstellen), tritt eine Sperrzeit ein (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung, § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III). Sie dauert längstens 12 Wochen. Die Sperrzeit dauert drei Wochen bei erstmaligem versicherungswidrigen Verhalten (§ 144 Abs. 4 Nr. 1 SGB III), sechs Wochen bei dem zweiten versicherungswidrigen Verhalten (§ 144 Abs. 4 Nr. 2 SGB III).«

Das BSG hatte am 27.6.2019 befunden, diese Rechtsfolgenbelehrung lasse nicht erkennen, welche konkrete Rechtsfolge dem Kläger im Fall der Nichtbewerbung drohe und sei damit unwirksam. Zudem setze der Eintritt einer sechs- bzw. zwölfwöchigen Sperrzeit bei Arbeitsablehnung voraus, dass zuvor der Eintritt einer solchen Sperrzeit mit einer Dauer von drei bzw. sechs Wochen wegen eines ersten bzw. zweiten versicherungswidrigen Verhaltens festgestellt worden sei.

Die BA hat mit der Weisung 201907016 am 17. Juli 2019 auf die BSG-Rechtsprechung reagiert. Sie verhängt bis auf weiteres »auch bei zweitem und drittem versicherungswidrigen Verhalten“ jeweils nur dreiwöchige Sperrzeiten. Derzeit wird allerdings weiterhin (noch) die oben zitierte Rechtsfolgenbelehrung verwendet. »Eine Umsetzung der Rechtsprechung in Form einer Weisungsänderung sowie der Neuerstellung der Rechtsfolgenbelehrung« könne erst nach Zugang der vollständigen Urteilsgründe erfolgen, zitierte die Soziale Sicherheit die BA-Weisung.

Da das BSG die Rechtsfolgenbelehrung der Arbeitsagenturen zu Angeboten von Arbeitsstellen und Eingliederungsmaßnahmen für rechtsunwirksam erklärt hat, können nun auch rechtskräftig gewordene Bescheide der Arbeitsagenturen aus den Jahren seit 2015 nochmals durch einen Überprüfungsantrag angefochten werden. Dabei wird unter Verweis auf § 44 SGB X bei der Arbeitsagentur beantragt, eine fehlerhafte Entscheidung zu ändern.

Angefochten werden können nun auch rechtskräftig gewordene Bescheide der vergangenen vier Jahre, die Arbeitslose aus dem Bezug von ALG aussteuerten. Wer während seiner Arbeitslosigkeit auf insgesamt 21 Sperrzeitwochen kommt, wird vom dem ALG-Bezug ausgeschlossen. Der Anspruch auf diese Versicherungsleistung erlischt nämlich nach § 161 Abs. 1 Nr. 2 »wenn die oder der Arbeitslose Anlass für den Eintritt von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt mindestens 21 Wochen gegeben hat, über den Eintritt der Sperrzeiten schriftliche Bescheide erhalten hat und auf die Rechtsfolgen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt mindestens 21 Wochen hingewiesen worden ist«. Ein großer Teil der bisherigen Aussteuerungsentscheidungen muss jetzt wohl wegen der unwirksamen Rechtsfolgebelehrung revidiert werden.

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