Sonderzahlungen rechtfertigen keine krankheitsbedingte Kündigung

Eine krankheitsbedingte Kündigung setzt voraus, dass für den Arbeitnehmer auch in Zukunft weitere erhebliche Fehlzeiten zu erwarten sind. Zudem muss der Arbeitgeber darlegen, dass ihn dies wirtschaftlich unzumutbar belastet. Dabei kann er sich nicht auf freiwillige Sonderzahlungen oder Leistungen wie Krankengeldzuschüsse oder Urlaubsgeld berufen, die nicht von der Arbeitsleistung abhängen – so das BAG.

Das war der Fall

Die einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Arbeitnehmerin war in der Zeit von 2012 bis 2018 in unregelmäßigen Abständen arbeitsunfähig erkrankt. Teilweise bestand für die Arbeitgeberin keine Entgeltfortzahlungspflicht. Die Arbeitgeberin gewährte der Arbeitnehmerin während der Erkrankung Zuschüsse zum Krankengeld, eine tarifliche Einmalzahlung, sowie den Bezug von Jubiläumsaktien. Zudem erhielt sie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, ein Tankdeputat und einen weiteren Bonus. Die Zahlungen beruhten auf einer Betriebsordnung bzw. jeweils auf Vereinbarungen mit dem Gesamtbetriebsrat. 2018 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis aufgrund der wirtschaftlichen Belastung durch die Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin. Die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage.

Das sagt das Gericht

Das Bundesarbeitsgericht gab der Arbeitnehmerin recht und bestätigte damit die Vorinstanzen. Obwohl bei der Arbeitnehmerin eine negative Gesundheitsprognose bestanden habe, sei die Kündigung unwirksam, da die Arbeitgeberin keine erhebliche Beeinträchtigung ihrer betrieblichen Interessen durch die zu erwartenden krankheitsbedingten Fehlzeiten vorgetragen habe. Eine Betriebsablaufstörung infolge der krankheitsbedingten Ausfälle der Arbeitnehmerin sei daher nicht nachgewiesen.

Keine erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigung

Die Prognose hinsichtlich der wirtschaftlichen Beeinträchtigung der Arbeitgeberin habe zudem keine erhebliche künftige Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses ergeben. Für die Arbeitgeberin sei es daher zumutbar, über die Dauer der Kündigungsfrist hinaus an dem (unveränderten) Arbeitsverhältnis festzuhalten, denn die Zuschüsse zum Krankengeld seien nicht zulasten der Arbeitnehmerin zu berücksichtigen. Es handele sich hierbei nicht um eine gesetzliche Verpflichtung, sondern um „freiwillige“ Leistungen, die die Arbeitgeberin zusätzlich erbracht habe. Die Zuwendung sog. Jubiläumsaktien erfolgte nach der Betriebsvereinbarung allein wegen der Zurücklegung einer bestimmten Dienstzeit. Diese Gegenleistung habe die Arbeitgeberin ungeachtet der Krankheitszeiten der Arbeitnehmerin voll erhalten.

Risiko für Sonderzahlungen liegt beim Arbeitgeber

Bei den Leistungen Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Tankdeputat sei davon auszugehen, dass hiermit allein der Bestand des Arbeitsverhältnisses und nicht auch eine Arbeitsleistung im Bezugszeitraum honoriert werden sollte, deshalb sei durch die Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin keine Störung im Austauschverhältnis eingetreten. Die Arbeitgeberin habe nach § 4a EFZG grundsätzlich das Risiko zu tragen, diese Leistungen ungeachtet der ganzjährigen Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin erbringen zu müssen.

Das muss der Betriebs- und Personalrat wissen

Auch bei negativer Gesundheitsprognose des Arbeitnehmers kann eine krankheitsbedingte Kündigung unwirksam sein. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Die Beeinträchtigungen muss der Arbeitgeber jedoch zunächst darlegen. Freiwillige Leistungen sowie Zahlungen des Arbeitgebers, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Arbeitsleistung stehen, stellen insoweit keine Beeinträchtigungen dar.

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Quelle: BAG (22.07.2021) Aktenzeichen 2 AZR 125/21