Vorsicht mit Rechtsauskünften!

Versäumt ein Arbeitnehmer die Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage, weil der Betriebsrat ihn falsch informiert hat, hat er Pech gehabt. Die Frist ist versäumt, denn der Beschäftigte hätte sich nicht auf die Auskunft verlassen dürfen. Damit ist die Klage unzulässig – so das LAG Hamm.

Das war der Fall

Es geht um einen langjährig bei einer großen Firma angestellten Maschinenführer, für den nur noch die außerordentliche Kündigung in Betracht kam. Er erhielt am 29.10.2020 eine Kündigung. Dagegen legte er am 24.11. Kündigungsschutzklage ein. Das war verspätet, da eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen eingelegt werden muss (§ 4 KSchG).

Der Kläger erklärt nun, er habe sich nach Erhalt der Kündigung mit dem Betriebsratsvorsitzenden in Verbindung gesetzt. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass der Betriebsrat per E-Mail über die Kündigung informiert worden sei, eine Betriebsratsanhörung aber nicht stattgefunden habe. Der Betriebsrat wolle der Kündigung auch widersprechen. Der Arbeitnehmer müsse sich daher um nichts weiter kümmern und brauche auch keine Klage einreichen. Es fragt sich nun, ob diese objektive Falschaussage des Betriebsratsvorsitzenden eine Auswirkung auf die – eigentlich zu spät eingereichte – Kündigungsschutzklage hat.

Das sagt das Gericht

Die Kündigungsschutzklage war verspätet, der Beschäftigte verpasste die Frist. Daher ist die Kündigung wirksam.

Das LAG gewährte keine nachträgliche Zulassung. Diese kommt nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer sich an eine zur Erteilung von Auskünften geeignete, zuverlässige Stelle wendet und von dort eine für die Fristversäumnis ursächliche unrichtige Auskunft erhält.  Ein Betriebsrat ist nach allgemeiner Auffassung keine zur Erteilung von Rechtsauskünften geeignete Stelle, so dass dessen unrichtige Auskunft die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht rechtfertigen kann. Der Betriebsrat ist der Vertreter der Belegschaft in kollektiven Fragen. Für Einzelinteressen der Arbeitnehmer, insbesondere für die Durchsetzung individueller Ansprüche, ist er – so das Gericht – nicht zuständig.
 

Das muss der Betriebsrat wissen

Der Betriebsrat hat objektiv keine Kompetenz, um abschließend Auskunft über die Fristen bei Kündigungsschutzklagen zu geben. Wie das enden kann, zeigt dieser Fall.

Umstritten ist, ob eine Ausnahme besteht, wenn es sich um einen Großbetrieb handelt und der Betriebsrat eine Fachkompetenz aufgrund bestimmter Umstände kundtut. Teilweise wird weitergehend vertreten, dass die Kündigungsschutzklage in der Regel nachträglich zuzulassen sei, wenn der Arbeitnehmer sich Rat suchend an den Betriebsrat gewandt und eine falsche Auskunft erhalten habe. Aber das ist eben Ermessenssache.

Als Betriebsrat sollte man sich daher mit eigener Rechtsberatung zurückhalten. Gekündigten Beschäftigten sollte man empfehlen, schnellstmöglich einen geeigneten Rechtsanwalt oder den gewerkschaftlichen Rechtsschutz zu beauftragen.

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Quelle

LAG Hamm (11.01.2022)
Aktenzeichen 14 Sa 938/21