Gesellschaftliche Ungleichheit und Armut gefährden die Demokratie. Erfolge und Gründungen rechtsextremer und populistischer Parteien sind ein Beleg dafür. Doch was würde zum Beispiel die AfD ihren möglichen Wähler:innen bringen? »Gute Arbeit« sprach darüber mit Anja Piel vom DGB-Bundesvorstand.
Vorbemerkung: Anja Piel ist seit 2020 Mitglied des DGB-Bundesvorstands, u. a. verantwortlich für Arbeitsmarktpolitik, Sozialpolitik, Recht und Vielfalt, Demokratie, Migrations- und Antirassismuspolitik.
Ist die AfD eine Partei der Arbeitnehmer:innen und der kleinen Leute?
Eindeutig nein! Sie vertritt in vielen Politikbereichen nicht die Interessen der Beschäftigten – oder hat keine Konzepte für sie. Gute Löhne, sichere Arbeit, bezahlbare Wohnungen und gute Bildung für alle – das sind zentrale Punkte für ein sicheres und planbares Leben. Ein gut aufgestellter Sozialstaat und Gewerkschaften sind Voraussetzungen, um dies zu erreichen. Die Politik der selbsternannten »Alternative« weist bei fast allen diesen Punkten Leerstellen auf: ob bei Lohnsteigerungen, Tarifbindung, sozialer Sicherheit oder Arbeitnehmerrechten. Sie vertritt im Gegenteil in arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Fragen neoliberale Positionen: weniger Fairness auf dem Arbeitsmarkt, weniger soziale Absicherung für Beschäftigte.
Was könnten Beschäftigte von dieser Partei erwarten?
Wenig bis nichts. Dem Anstieg beim Mindestlohn hat die AfD im Bundestag nicht zugestimmt, weil eine politische Anhebung des Mindestlohns »den Markt außer Kraft setze«. Auch die Ausweitung des Streikrechts, z. B. beim Billigflieger Ryanair, wurde von ihr bei der Abstimmung zu einem Antrag der Linksfraktion im Bundestag abgelehnt. Bei der stärkeren Tarifbindung stellt sie sich in den Ländern quer, etwa im Landtag von Baden-Württemberg. Dort hat die AfD einen Gesetzentwurf eingebracht, um das Landestariftreuegesetz abzuschaffen. Danach werden öffentliche Aufträge an tarifgebundene Unternehmen vergeben. Im Bundestag stimmte sie in der Pandemie gegen Sonderprämien für Beschäftigte in sogenannten systemrelevanten Berufen. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Ist die nationale Rechtsaußen-Partei für soziale Gerechtigkeit?
Nein, da tritt sie gegen die Besteuerung von Spitzenverdiener:innen und sehr großen Vermögen an, torpediert jeden Vorstoß, Reichtum stärker zu besteuern. Den Staat und damit auch die sozialen Sicherungssysteme will die AfD finanziell an die kurze Leine legen: Die sogenannte Schuldenbremse – eine Bremse für Zukunftsinvestitionen – wird von niemandem im Bundestag so vehement verteidigt. Auch beim bezahlbaren Wohnen steht die Partei aufseiten der großen Wohnungskonzerne und lehnte jeden Vorschlag zu einer Mietpreisbremse im Bundestag ab.
Wie lautet dein Fazit aus gewerkschaftlicher Sicht?
Die Gewerkschaften gehören zu den Feindbildern der AfD. Im Bundestag stimmt sie gegen Initiativen, um die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen zu erleichtern. Ihr arbeitsmarktpolitischer Sprecher sagte in der Debatte dazu den Gewerkschaften den Kampf an, hat gar deren Stellung im Tarifvertragsgesetz infrage gestellt (Anm. d. Redaktion: Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 224, S. 28525). Ihr Markenkern ist es, Angst und Hass zu schüren, Sündenböcke für Missstände zu suchen. Für ihre völkisch-nationale Perspektive sind die Schuldigen ausgemacht: Geflüchtete und Schutzbedürftige. Gewerkschaften dagegen stehen für wirksame Interessenvertretung und Empowerment. Wir streiten für soziale Rechte und gemeinsame Interessen einer vielfältigen und starken Arbeitnehmerschaft. Das passt mit der AfD nicht zusammen.
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