Auch Ersatzmitglieder des Betriebsrats haben Anspruch auf Grundlagenschulungen, wenn sie öfter oder über einen längeren Zeitraum zum Einsatz kommen. Der Betriebsrat muss dazu eine Prognose erstellen und die Erforderlichkeit begründen.
Das Entsenden eines Ersatzmitglieds auf eine Grundlagenschulung ist – anders als bei regulären Betriebsratsmitgliedern – nur ausnahmsweise möglich.
Das war der Fall
In einem Betrieb mit ca. 35 Beschäftigten, der sich mit dem Vertrieb für Tiefkühllebensmittel befasst, gibt es einen dreiköpfigen Betriebsrat. Aufgrund einer längerfristigen Erkrankung des Betriebsratsvorsitzenden kam häufig eins der Ersatzmitglieder zum Einsatz. Dieses hatte keinerlei betriebsverfassungsrechtliches Vorwissen. Aufgrund der starken Arbeitsbelastung der zwei verbliebenen Mitglieder und komplexer Themen, war es nicht möglich, das Ersatzmitglied einzuarbeiten.
Daher fasst der Betriebsrat den Beschluss, das Ersatzmitglied auf ein Grundlagenseminar BR 1 zu entsenden. Das Gremium verlang vom Arbeitgeber die Freistellung für die Kosten i.H.v. 995,- € für das Seminar und 578,- € für Übernachtung und Verpflegung. Der Arbeitgeber weigert sich, diese Kosten zu übernehmen. Eine solche Schulung sei für Ersatzmitglieder nicht erforderlich.
Das sagt das Gericht
Dasv sah das Landesarbeitsgericht (LAG) anders: Der Arbeitgeber muss die Kosten in voller Höhe übernehmen. Die Grundlagenschulung war für das Ersatzmitglied erforderlich.
Bei ordentlichen Betriebsratsmitgliedern ist die Sache klar: Diese haben einen Anspruch auf den Besuch von Grundlagen-Schulungen (§ 37 Abs. 6 BetrVG) ohne dies näher begründen zu müssen. Für Ersatzmitglieder ist es anders. Die bloße Erwartung von Vertretungsfällen wegen Urlaubs oder wegen Erkrankung ordentlicher Betriebsratsmitglieder genügt nicht, um einen Schulungsanspruch zu begründen.
Ersatzmitglieder haben einen Anspruch auf Schulungen, wenn
- diese voraussichtlich öfters oder über einen längeren Zeitraum im Gremium eingesetzt werden müssen,
- der Betriebsrat nicht durch andere Maßnahmen die Arbeitsfähigkeit des Gremiums sicherstellen kann (etwa Umorganisation der Sitzungen etc.),
- insbesondere niemand sonst das Ersatzmitglied einarbeiten kann oder ihm Wissen vermitteln kann,
- zudem der Betriebsrat eine Prognose über ein häufiges Fehlen und eine lange Dauer der Vertretungstätigkeit anstellt (BAG 19. 9.2001 – 7 ABR 32/00).
Diese Punkte sieht das LAG hier als gegeben an. Daher hat das LAG hier dem Betriebsrat in vollem Umfang recht gegeben und den Anspruch auf bezahlte Freistellung gewährt.
Das muss der Betriebsrat wissen
Die Kostenübernahme für Schulungen von Ersatzmitgliedern ist ein schwieriges Terrain. Der Betriebsrat hat zwar einen Ermessensspielraum beim Erstellen der Prognose über die Häufigkeit und Dauer des Einsatzes des Ersatzmitglieds. Er muss dabei aber Fakten liefern. Der Betriebsrat muss sich darauf einstellen, dass die Gerichte gründlich prüfen, ob nicht andere Möglichkeiten bestanden hätten, die Arbeitsfähigkeit des Gremiums sicherzustellen.
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Quelle
LAG Hessen (17.01.2022)
Aktenzeichen 16 TaBV 99/2