Kündigt der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis, ohne vorher den Betriebsrat anzuhören, kann dies eine grobe Pflichtverletzung darstellen. Dagegen kann der Betriebsrat auf Unterlassung klagen und erwirken, dass dem Arbeitgeber bei Wiederholung ein Ordnungsgeld droht – so das Hessische Landesarbeitsgericht.
In einem aktuellen Fall hat das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) entschieden, dass eine Kündigung ohne vorherige Anhörung des Betriebsrats zugleich eine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers nach § 23 Abs. 3 BetrVG darstellen kann.
Darum geht es
Im Februar 2019 kündigte der Arbeitgeber einem Mitarbeiter, ohne den Betriebsrat zuvor angehört zu haben. Der Betriebsrat beanstandete dies mit Schreiben vom 16. April 2019. Der Arbeitgebr entschuldigte dies damit, der Betriebsrat sei auf Wunsch des Betroffenen nicht informiert worden, da es um eine Abwicklungsvereinbarung ging.
Ende September 2020 erklärte der Arbeitgeber sechs krankheitsbedingte Kündigungen, ohne den Betriebsrat zuvor beteiligt zu haben. Der Arbeitgeber entschuldigte dies mit einem Versehen des zuständigen Sachbearbeiters der Personalabteilung – es werde nicht wieder vorkommen.
Am 27. November 2020 beantragte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht, dem Arbeitgeber aufzugeben, es unter Androhung eines Ordnungsgeldes zu unterlassen, weiterhin Kündigungen auszusprechen, ohne zuvor den Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu beteiligen.
Das Arbeitsgericht wies den Antrag ab.
Das sagt das Gericht
Das Landesarbeitsgericht(LAG) entschied im Sinne des Betriebsrats: Das Verhalten des Arbeitgebers, dem auch das Tun und Lassen seiner Personalabteilung zurechenbar ist, stelle einen groben Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG”im Sinne von § 23 Abs. 3 BetrVG dar.
Entsprechend § 23 Abs. 3 BetrVG gab das Gericht dem Arbeitgeber auf, es künftig zu unterlassen, Kündigungen auszusprechen, ohne zuvor den Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu beteiligen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung drohte das Gericht ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 Euro an.
Schon im ersten Fall lag der Arbeitgeber falsch: Auch wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich in einem Personalgespräch darüber verständigen, dass das Arbeitsverhältnis durch eine arbeitgeberseitige Kündigung enden und eine Abwicklungsvereinbarung erfolgen soll, ist der Betriebsrat zu unterrichten und anzuhören.
Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits 2005 beantwortet (BAG 28.6.2005 – 1 ABR 25/04) und damit eine Eine mögliche Lücke in der Rechtsprechung geschlossen. Mag dies im ersten Fall noch offen gewesen sein, stellt das Verhalten des Arbeitgebers bei den krankheitsbedingten Kündigungen im September 2020 einen eindeutig groben Verstoß dar – damit wurde gleich mehrfach das wichtige Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 102 BetrVG übergangen und die Rechte der betroffenen Beschäftigten erheblich eingeschränkt.
Auch die für einen Unterlassungsantrag notwendige Wiederholungsgefahr sei gegeben, es sprächen keine rechtlichen oder sachlichen Gründe dagegen, dass die Personalabteilung erneut „vergisst“, den Betriebsrat zu unterrichten.
Hinweis für die Praxis
Es ist wichtig zu wissen, dass nicht allein der Arbeitgeber abmahnen und sanktionieren kann – auch der Betriebsrat hat in § 23 Abs. 3 BetrVG ein Zwangsmittel, falls der Arbeitgeber die Rechte des Gremiums verletzt. Die Vorschrift berechtigt übrigens auch ausdrücklich die „im Betrieb vertretenen Gewerkschaften“, in solchen Fällen gegen Arbeitgeber vorzugehen.
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