Als vor gut einem Jahr die Corona-Pandemie Deutschland erreichte, war in den Supermärkten das Toilettenpapier knapp, in Apotheken und Drogerien gab es auf einmal nur noch mit sehr viel Glück Desinfektionsmittel zu kaufen. Ein Angestellter eines Paketzustellers aus Nordrhein-Westfalen half sich damit, dass er Desinfektionsmittel in seinem Unternehmen klaute. Der Arbeitgeber zog die Konsequenz und kündigte dem Mann fristlos.
Das war der Fall
Der Kläger war seit dem Jahr 2004 bei einem Paketzustellunternehmen, der Beklagten, als Be- und Entlader sowie Wäscher für die Fahrzeuge beschäftigt. Die Wäsche der Wagen erfolgte in Nachtschicht mit sechs bis sieben Kollegen, wobei der Kläger seinen Wagen in der Nähe des Arbeitsplatzes abstellen konnte. Bei stichprobenartigen Kontrollen entdeckte der Werkschutz am Morgen des 23. März 2020 eine Plastikflasche mit einem Liter Desinfektionsmittel und eine Handtuchrolle, beides aus dem Waschraum. Mit Zustimmung des Betriebsrats kündigte der Arbeitgeber fristlos.
Gegen diese Kündigung wendete sich der Mann mit seiner Klage. Er habe sich während der Arbeit jede Stunde zu seinem Fahrzeug begeben, um die Hände zu desinfizieren und abzutrocknen. Er habe das Mittel für sich und eventuell seine Kollegen verwenden wollen, zumal dieses in den Waschräumen nicht immer verfügbar gewesen sei. Bei der Ausfahrt habe er an die Sachen im Kofferraum nicht mehr gedacht. Er müsse kein Desinfektionsmittel stehlen, weil seine Frau in der Pflege arbeite und die Familie über sie ausreichend versorgt sei.
So entschied das Gericht
Die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts hat wie bereits das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Es liegt ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Die Einlassungen des Klägers sind nicht glaubhaft. Die Kammer geht davon aus, dass der Kläger sich das Desinfektionsmittel zugeignet hat, um es selbst zu verbrauchen. Wenn er es während der Schicht habe benutzen wollen, hätte es nahegelegen, das Desinfektionsmittel auf den Materialwagen am Arbeitsplatz zu stellen, zumal in der Nacht nur sechs bis sieben Kollegen arbeiteten.
Trotz der gut 15-jährigen Betriebszugehörigkeit sei eine Abmahnung nicht erforderlich gewesen. Wegen der Corona-Pandemie sei Desinfektionsmittel im Frühjahr 2020 Mangelware und teuer gewesen. Der Wert der Flasche habe damals 40 Euro betragen. Der Kläger habe auch gewusst, dass bereits mehrfach Desinfektionsmittel aus den Waschräumen verschwunden war und der Arbeitgeber große Probleme hatte, Nachschub zu bekommen.
- COVID19 Pandemie Set bestehend aus einem Desinfektionsmittel, einer Schutzmaske und Handschuhen. Dient zum Schutz vor Viren und hilft der Gesundheit: Lukas I AdobeStock