EuGH: Klagefrist für Schwangere muss angemessen sein

Für Kündigungsschutzklagen gilt eine strenge Drei-Wochen-Frist. Eine Ausnahme gilt für Frauen, die erst nach der Kündigung von ihrer Schwangerschaft erfahren. Die Zwei-Wochen-Frist für eine verspätete Zulassung könnte für schwangere Arbeitnehmerinnen im Einzelfall aber zu kurz bemessen sein – so der Europäische Gerichtshof.

Darum geht es

Das Arbeitsgericht (ArbG) Mainz will geklärt wissen, ob die Zweiwochenfrist des § 5 Abs. 1 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)  mit dem Schutzzweck EU-Richtlinie über schwangere Arbeitnehmerinnen vereinbar ist. Es hat dazu den EuGH befragt.

Die bisherige Regelung

Nach der deutschen Regelung in § 4 KSchG hat ein Arbeitnehmer grundsätzlich innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine sog. Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen, sofern kein Einverständnis mit der Kündigung besteht. Schon deshalb ist unter normalen Umständen Eile geboten, insbesondere, wenn auch noch ein Anwalt beauftragt, eine Beratung und anschließende Klageerhebung vor Fristablauf stattfinden sollen.

Sollte diese Frist unverschuldet versäumt worden sein, bietet § 5 KSchG die Möglichkeit, einen Antrag auf sog. nachträgliche Zulassung der Klage zu stellen. Gleichzeitig muss die Kündigungsschutzklage in der Sache selbst erhoben werden. Allerdings kann dieser Antrag nur innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Gleiches gilt nach dem Gesetzeswortlaut, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG Kenntnis erlangt hat. Denn § 17 Mutterschutzgesetz (MuSchG) enthält ein Kündigungsverbot gegenüber schwangeren Frauen.

Zweiwochenfrist im Visier des EuGH

Der EuGH hatte sich mit genau dieser Zweiwochenfrist auseinander zu setzen. Das Problem in der besonderen Konstellation der Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin besteht in der Praxis darin, dass die betroffene Beschäftigte selbst oftmals noch keine Kenntnis über ihre frühe Schwangerschaft hat, so dass einerseits der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Zugangs der schriftlichen Kündigung hierüber ebenfalls keine Informationen besitzt und andererseits auch die Schwangere so spät von der Schwangerschaft erfährt, dass sie nicht rechtzeitig die Zweiwochenfrist einhalten kann. 

Ersuchen um Vorabentscheidung aus Mainz

Das ArbG Mainz hatte daher dem EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen die Frage gestellt, ob die deutsche Regelung mit der EU-Vorgaben zum Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen vereinbar ist ((ArbG Mainz 24.04.2023 – 4 Ca 1424/22; EuGH 27.06.2024 – C-284/23 NZA 2024, 969). Diese Vorgaben regelt die »Richtlinie zur Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen (Richtlinie 92/85/EWG vom 19.10.1992)«. 

Differenzierung zwischen den beiden Fristen fraglich

Im Ergebnis bemängelt der EuGH, dass die Frist von (nur) zwei Wochen für eine Beschäftigte, die aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund vor Ablauf der allgemeinen Dreiwochenfrist keine Kenntnis über ihre Schwangerschaft hat, sehr knapp bemessen ist: »… Somit verfügt eine schwangere Arbeitnehmerin, die zum Zeitpunkt ihrer Kündigung Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, über eine Frist von drei Wochen, um eine solche Klage zu erheben. Dagegen verfügt eine Arbeitnehmerin, die aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund vor Ablauf dieser Frist keine Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, nur über zwei Wochen, um die Zulassung einer solchen Klage zu beantragen, was eine erhebliche Verkürzung der Frist bedeutet, um sich sachgerecht beraten zu lassen und gegebenenfalls nicht nur diesen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage, sondern auch die eigentliche Klage abzufassen und einzureichen. …«.(EuGH 27.6.2024 – C-284/23, Rz. 49, juris).

Nicht nur rechtssichere, sondern auch effektive und faire Fristen

Der EuGH kommt hier zu der nachvollziehbaren Aussage, dass die Klagefrist auf jeden Fall angemessen sein muss. Dem deutschen Gesetzgeber war es bei der Fristenregelung vor allem um die zügige Herstellung von Rechtssicherheit gegangen. Ab wann ist die Kündigung nicht mehr angreifbar, ab wann kann sich ein Arbeitgeber um die Einstellung eines neuen Beschäftigten bemühen? Das sind zweifellos aus Arbeitgebersicht wichtige Meilensteine.

Der EuGH beleuchtet in seiner Entscheidung aber nicht nur den Parameter Rechtssicherheit, sondern betrachtet auch die besondere Situation, die sich durch die Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin ergeben kann und deren Rechte. Diese dürfen aus Sicht des EuGH nicht unangemessen beschränkt werden. Wann dies aber genau der Fall ist, lässt der EuGH letztlich leider offen.

Bianka Schlick,

Fachanwältin für Arbeitsrecht, Dänischenhagen

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