Wenn es nach dem EuGH geht, ist die biblische Regel »sechs Tage arbeiten, am siebten Tag ruhen«, außer Kraft gesetzt. Im Falle eines Casino-Mitarbeiters in Portugal entschied das Luxemburger Gericht, dass ein Arbeitnehmer bis zu zwölf Tage am Stück arbeiten könne. Die Arbeitszeitrichtlinie verbiete dies nicht, wenn die im Sieben-Tage-Zeitraum vorgeschriebenen Ruhetage gewährleistet seien.
Casino-Beschäftigter muss wöchentlich durcharbeiten
Der Kläger in Portugal war von 1991 bis 2014 bei einer Gesellschaft beschäftigt, die ein Casino in Portugal besitzt und betreibt. Das Casino ist mit Ausnahme des 24. Dezembers täglich vom Nachmittag bis zum folgenden Morgen geöffnet. Von 2008 und 2009 arbeitete der Kläger manchmal an sieben aufeinanderfolgenden Tagen. Ab 2010 änderte sein Arbeitgeber die Organisation der Arbeitszeiten, so dass die Beschäftigten an nicht mehr als sechs aufeinanderfolgenden Tagen arbeiteten.
Klage auf Entschädigung wegen entgangener Ruhetage
Nach Ende seines Arbeitsvertrags im März 2014 erhob der Mitarbeiter Klage gegen seinen früheren Arbeitgeber. Er wollte feststellen lassen, dass die Gesellschaft ihm die Pflichtruhetage, auf die er nach seiner Auffassung Anspruch hatte, nicht gewährt habe. Er forderte insoweit Entschädigungszahlungen entsprechend der Vergütung der gearbeiteten Überstunden.
Arbeitszeitrichtlinie regelt Sieben-Tage-Rhythmus
Nach der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie (Richtlinie 2003/88/EG vom 4.11.2003) hat jeder Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum Anspruch auf eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden. Das zuständige Berufungsgericht Porto hat Zweifel in Bezug auf die Auslegung der Richtlinie und legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, ob die kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden, auf die ein Arbeitnehmer Anspruch hat, spätestens an dem Tag gewährt werden muss, der auf einen Zeitraum von sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen folgt.
EuGH: Ruhetag kann verschoben werden
Die Antwort des EuGH macht dem Kläger aber wenig Hoffnung. Denn in seinem Urteil erklärt der Gerichtshof, dass das Unionsrecht nicht verlangt, dass die wöchentliche Mindestruhezeit spätestens an dem Tag gewährt wird, der auf einen Zeitraum von sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen folgt, sondern nur, dass sie »innerhalb jedes Siebentageszeitraums« gewährt wird.
Beliebige Lage des Ruhetags
Die wöchentliche Ruhezeit für Arbeitnehmer muss nicht notwendigerweise an dem auf sechs aufeinanderfolgende Arbeitstage folgenden Tag gewährt werden. Sie kann an einem beliebigen Tag innerhalb jedes Siebentageszeitraums gewährt werden. Die Wendung »pro Siebentageszeitraum« in der Arbeitszeitrichtlinie enthalte keinerlei Verweis auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten und sei somit ein autonomer Begriff des Unionsrechts, der einheitlich ausgelegt werden muss.
Zeitpunkt des Mindestruhetags ist nicht zwingend
Die Richtline regelt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind zu gewährleisten, dass jedem Arbeitnehmer während eines Siebentageszeitraums eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden (zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden) zur Verfügung steht, dass aber darin nicht festgelegt wird, zu welchem Zeitpunkt diese Mindestruhezeit zu gewähren ist.
Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass dieser Zeitraum als Bezugszeitraum angesehen werden kann, als ein fester Zeitraum, innerhalb dessen eine bestimmte Anzahl aufeinanderfolgender Ruhestunden zu gewähren ist, unabhängig vom Zeitpunkt, zu dem diese Ruhestunden gewährt werden.
Staaten haben Ermessensspielraum bei der Umsetzung
Zweck der Richtlinie ist es, so der EuGH, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer wirksam zu schützen. Jedem Arbeitnehmer müssen also angemessene Ruhezeiten zur Verfügung stehen. Allerdings lasse die Richtlinie für ihre Umsetzung eine gewisse Flexibilität zu und räumt somit den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Festsetzung des Zeitpunkts, zu dem diese Mindestruhezeit zu gewähren ist, ein Ermessen ein.
Gesetzgeber kann auch mehr als einen Ruhetag vorschreiben
Diese Auslegung könne auch dem Arbeitnehmer zugutekommen, da sie es erlaubt, ihm am Ende eines und am Anfang des darauf folgenden Bezugszeitraums mehrere aufeinanderfolgende Ruhetage zu gewähren. Die Richtlinie stelle nur Mindestnormen für den Schutz des Arbeitnehmers im Rahmen der Arbeitszeitgestaltung auf.
Die Mitgliedstaaten dürfen also für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anwenden, oder erlassen oder die Anwendung von, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer, günstigeren Tarifverträgen, oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern fördern oder gestatten.
Quelle:
© bund-verlag.de (ck)
EuGH (09.11.2017), Aktenzeichen C-306/16
EuGH, Pressemitteilung Nr. 115/17 vom 9.11.2017
Peter Voigt
Abteilung Arbeits- und Sozialrecht
Isabel Eder
Abteilung Mitbestimmung
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