Gesetzlicher Mindesturlaub ist unverzichtbar

Der gesetzliche Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses kann nicht durch eine Vereinbarung ausgeschlossen oder beschränkt werden – so das Landesarbeitsgericht Köln.

Beim gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG handelt es sich um unverzichtbare Ansprüche, so dass der Urlaubsanspruch oder der Abgeltungsanspruch durch eine Vereinbarung vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden kann. Damit sind Regelungsmöglichkeiten beim gesetzlichen (unverzichtbaren) Urlaub deutlich eingeschränkt.

Das war der Fall

Dem Arbeitnehmer stand ein jährlicher Urlaubsanspruch von 30 Tagen zu. Im Jahr 2023 kam es zu arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, in welchen beide Seiten signalisierten, dass eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchaus gewünscht war. Zu einer Einbringung des Urlaubs kam es nicht (mehr), weil der Arbeitnehmer zu dieser Zeit erkrankt war.

Der Kläger forderte zunächst für das anteilige Jahr 2023 die Zahlung von sieben Urlaubstagen für die Zeit bis zum 30.4., sofern dieser Urlaub nicht eingebracht werden konnte. Im Ergebnis einigte man sich sodann dahingehend, dass

  1. das Arbeitsverhältnis aufgrund betrieblich veranlasster Kündigung zum 30.4.2023 endete,
  2. die Urlaubsansprüche in natura eingebracht wären und 
  3. außer den im Vergleich geregelten Ansprüchen keine weiteren mehr zwischen den Parteien bestehen sollten.

Weil der Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war, konnte er keinen Urlaub mehr nehmen. Trotz dieser Regelung hat der Kläger nach dem Vergleichsabschluss eine Urlaubsabgeltung von 1.635,14 € in Bezug auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch geltend gemacht mit der Begründung, der Mindesturlaubsanspruch für 2014 – anteilig für vier Monate – von sieben Tagen zu je 230,73 € brutto pro Tage wäre unverzichtbar, was er beim Vergleichsabschluss auch so unmissverständlich klargestellt habe.

Der Arbeitgeber war der Meinung, dass der Kläger mit dem Vergleichsabschluss auf die gesetzlichen Urlaubsansprüche verzichtet hätte. 

Das sagt das Gericht

Weil der Arbeitnehmer in der ersten Jahreshälfte des Jahres 2023 – mithin zum 30.4.2023 – aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, ergab sich ein gesetzlicher Anspruch von 6,67 Urlaubstagen, der nach § 5 Abs. 2 BurlG auf sieben Tage aufzurunden war. Der Prozessvergleich hat allerdings nicht zum Erlöschen dieses Anspruchs geführt, weil vereinbart wurde, der Urlaub wäre in natura eingebracht worden. Dabei hatte der Beschäftigte im Jahr 2023 keinen Tag Urlaub genommen.

Streitige Urlaubsansprüche können nur dann mit einem sog. Tatsachenvergleich wirksam geregelt werden, wenn das Nachgeben der Parteien auf eine Ungewissheit im tatsächlichen Bereich gerichtet ist. Dies bedeutet konkret: Es muss eine Ungewissheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch ein gegenseitiges Nachgeben beseitigt werden. Allerdings kann eine (vollständige) Unstreitigkeit der Forderung nicht Gegenstand eines Tatsachenvergleichs sein, sondern es ist in diesen Situationen von einem Erlassvertrag auszugehen.

Beim Vergleichsabschluss kann daher auch nicht von einem Verzicht des Arbeitnehmers auf den Urlaub ausgegangen werden, weil der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch – um den es hier ging – nach § 1, 3 BUrlG eindeutig unverzichtbar ist. 

Praxistipp

Die Entscheidung ist auch im Personalvertretungsrecht von Interesse, wenn es bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Öffentlichen Dienst zur (teilweisen) Nichtberücksichtigung von restlichen Urlaubsansprüchen kommen sollte.

Bei der Rechtsfrage, ob trotz eines anderslautenden Wortlauts des abgeschlossenen Vergleichs im Rahmen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinsichtlich der Urlaubsansprüche ein sog. Tatsachenvergleich möglich ist oder nicht, ist darauf abzustellen, ob tatsächlich zu diesem Zeitpunkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer streitig war, ob und ggf. wie viele Urlaubstage bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses noch bestehen oder dies eindeutig nicht der Fall war.

Geht es etwa um den Streitpunkt, ob bei noch streitigen acht Urlaubstagen in Bezug auf den gesetzlichen Mindestanspruch diese Tage bereits genommen wurden oder ob das nicht der Fall war (möglicherweise, weil Ungenauigkeiten bei der Registrierung genommener Urlaubstage seitens des Arbeitgebers vorlagen, weil sich beide Seiten nicht »so sehr darum kümmerten«), dann kann durchaus ein Tatsachenvergleich abgeschlossen werden. Ein solcher Tatsachenvergleich ist allerdings ausgeschlossen, wenn der Anspruch hinsichtlich des Resturlaubs unstreitig besteht.

Auch nach den Kriterien von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) in Form des widersprüchlichen Verhaltens kann kein anderes Ergebnis gefunden werden, weil es kein Verstoß gegen § 242 BGB ist, wenn eine Partei sich nachträglich auf die Unwirksamkeit einer zuvor von ihr abgegebenen Erklärung beruft.

Der Autor:

Dr. Ewald Helml, war bis zum 1.12.2022 Direktor des Arbeitsgerichts Rosenheim und ist seither im Ruhestand.

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Quelle

Landesarbeitsgericht Köln (11.04.2024)
Aktenzeichen 7 Sa 516/23