Ein Mitarbeiter, der jeden Monat Überstunden aufschreibt und ausgezahlt bekommt, obwohl er sie gar nicht geleistet hat, muss nicht immer mit einer Kündigung rechnen. Im zu entscheidenden Fall hatte der Arbeitnehmer eine Absprache mit der Personalreferentin vereinbart. Die fristlose Kündigung war daher unverhältnismäßig – so das ArbG Mannheim.
Der Mitarbeiter des Nationaltheaters klagte gegen die Stadt Mannheim wegen einer außerordentlichen Kündigung. Der Beschäftigte hatte aufgrund einer Absprache mit der zuständigen Personalreferentin und seinem direkten Vorgesetzten seit dem Jahr 2012 (über tatsächlich in großem Umfang geleistete Überstunden hinaus) monatlich sieben Überstunden aufgeschrieben und ausgezahlt bekommen – ohne diese tatsächlich erbracht zu haben. Dies habe dem Ausgleich für nicht mehr länger gezahlte Erschwernis- und Schmutzzulagen gedient. Der Mitarbeiter gab an, dass die Vereinbarung zu den Überstunden auf Vorschlag der Personalreferentin zustande gekommen sei. Er habe sich darauf verlassen, dass die Mitarbeiterin hierzu berechtigt gewesen sei. Die Stadt ist der Auffassung, dass der Kläger unter keinen Umständen von einer solchen Berechtigung ausgehen durfte.
Kündigung ist unverhältnismäßig und daher unwirksam
Das Arbeitsgericht (ArbG) Mannheim hat die außerordentliche fristlose Kündigung für unwirksam erklärt. Es verurteilte die Stadt, den Mitarbeiter vorläufig weiter zu beschäftigen. Das Gericht stützt seine Entscheidung darauf, dass die erforderliche Interessenabwägung zugunsten des Beschäftigten ausfalle. Das Gericht betonte, dass der Ausspruch einer Kündigung nicht die Sanktion für ein pflichtwidriges Verhalten darstelle, sondern dazu diene, künftige Störungen des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden. Es hätte vorliegend genügt, den Mitarbeiter abzumahnen, um auf die Vorgänge zu reagieren. Die fristlose Kündigung sei daher unverhältnismäßig.
Erhebliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten
Dabei wertete das Gericht das Verhalten des Mitarbeiters durchaus als erhebliche Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten. Das Verschulden sei aber nicht als hoch zu bewerten. Es sei nachvollziehbar, dass der Beschäftigte Fragen im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis direkt mit seinen Ansprechpartnern vor Ort und nicht mit Mitarbeitern der Stadt besprochen habe. Seine Vorgehensweise sei mit der Personalreferentin und seinem Vorgesetzten abgestimmt gewesen. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass diese berechtigt seien, derartige Vereinbarungen abzuschließen.
Stadt ist ihrer Fürsorgepflicht nicht gerecht geworden
Darüber hinaus habe die beklagte Stadt in der Vergangenheit eine hohe Anzahl an tatsächlich geleisteten Überstunden von dem Mitarbeiter entgegengenommen und an ihn ausgezahlt, ohne die personelle Besetzung der Abteilung zu verbessern. Sie sei deshalb ihrer eigenen Fürsorgeverpflichtung nicht gerecht geworden. Dem klagenden Mitarbeiter könne auch kaum vorgeworfen werden, »heimlich« gehandelt zu haben, denn er hat (fast) nie korrekt ausgefüllte »Überstundenzettel« vorgelegt. Dies hatte die Stadt in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt gerügt.
Schließlich berücksichtigt das Gericht zugunsten des Beschäftigten, dass er der Stadt den Sachverhalt ohne Not offenbart hat und bei der Stadt bereits seit neun Jahren beanstandungsfrei beschäftigt ist.
Hintergrund
Auch die Personalreferentin und der Vorgesetzte des Klägers sind fristlos gekündigt worden. Der Kammertermin im Kündigungsschutzverfahren der Personalreferentin ist bestimmt worden auf 27. Oktober 2017, das Verfahren des Vorgesetzten wird vor dem Bühnenschiedsgericht verhandelt.
Quelle:
Arbeitsgericht Mannheim, 21.09.2017
Aktenzeichen: 12 Ca 63/17
PM des ArbG Mannheim vom 9.8.2017 und 21.9.2017
Peter Voigt
Abteilung Arbeits- und Sozialrecht
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