Die Beklagte betreibt Bildungseinrichtungen. Anfang November 2014 vereinbarte sie mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich über ihre Absicht, insgesamt vier Einrichtungen zu schließen. Am 24. November 2014 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. Juli 2015. In der Zeit vom 24. November 2014 bis zum 24. Dezember 2014 erklärte die Beklagte mindestens elf weitere Kündigungen. Eine Massenentlassungsanzeige erstattete sie nicht.
Mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage hat die Klägerin geltend gemacht, es habe sich um eine nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG anzeigepflichtige Maßnahme gehandelt. Bei der Beklagten seien nicht mehr als 120 ArbeitnehmerInnen beschäftigt gewesen. Deshalb hätten bereits zwölf Kündigungen dazu geführt, dass die Beklagte 10 Prozent der in ihrem Betrieb in der Regel beschäftigten ArbeitnehmerInnen entlassen habe. Demgegenüber hat die Beklagte gemeint, die bei ihr eingesetzten vier LeiharbeitnehmerInnen müssten bei der Berechnung der ArbeitnehmerInnenzahl berücksichtigt werden. Daher habe sie keine Massenentlassungsanzeige erstatten müssen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.
Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit Beschluss vom heutigen Tage entschieden, den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV um die Beantwortung von Fragen zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen zu ersuchen. Für den Senat ist entscheidungserheblich, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen LeiharbeitnehmerInnen bei der Bestimmung der Zahl der in einem Betrieb beschäftigten ArbeitnehmerInnen iSd. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG zu berücksichtigen sind.* Für die Beantwortung der Fragen ist der Gerichtshof der Europäischen Union zuständig. Die Regelung in § 17 KSchG über anzeigepflichtige Massenentlassungen dient der Umsetzung der Richtlinie 98/59/EG.
Der genaue Wortlaut der Fragen:
Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) um die Beantwortung der folgenden Fragen ersucht:
1. Ist Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (RL 98/59/EG) dahin auszulegen, dass zur Bestimmung der Zahl der in der Regel in einem Betrieb tätigen Arbeitnehmer auf die Anzahl der im Zeitpunkt der Entlassung bei gewöhnlichem Geschäftsgang beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen ist?
2. Ist Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a RL 98/59/EG dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung der Zahl der in der Regel in einem Betrieb eines entleihenden Unternehmens tätigen Arbeitnehmer dort eingesetzte Leiharbeitnehmer mitzählen können?
Sofern die zweite Frage bejaht wird:
3. Welche Voraussetzungen gelten für die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Bestimmung der Anzahl der in der Regel in einem Betrieb eines entleihenden Unternehmens tätigen Arbeitnehmer?
Quelle:
Pressemitteilung Nr. 51/17 vom Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16. November 2017 – 2 AZR 90/17 (A) – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 8. September 2016 – 11 Sa 705/15, Anmerkung: Der Fall wird von der Abt. Arbeits- und Sozialrecht der IG BCE für die Kollegin geführt.
Peter Voigt
Abteilung Arbeits- und Sozialrecht
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- Entscheidung des Gerichts: Gina Sanders | Fotolia