Betriebsräte können, ebenso wie die SBV, vom Arbeitgeber eine vollständige Liste der schwerbehinderten/ gleichgestellten Arbeitnehmer verlangen. Diese muss auch die Gruppe der leitenden Angestellten umfassen.
Das war der Fall
Der Betriebsrat eines Entsorgungsunternehmens wollte von diesem eine Liste über alle im Betrieb des Unternehmens beschäftigten schwerbehinderten und diesen gleichgestellten Menschen haben. Um Bedenken des Arbeitgebers entgegenzutreten hatten diese ein umfangreiches Datenschutzkonzept erstellt. Dies half aber nichts. Der Arbeitgeber teilte nur mit, dass der Schwellenwert für eine Wahl einer Schwerbehindertenvertretung (SBV) erreicht sei. Im Übrigen war er der Auffassung, dass ein Auskunftsanspruch über schwerbehinderte und gleichgestellte Beschäftigte nicht für die Gruppe der leitenden Angestellten greife.
Der Betriebsrat wehrte sich hiergegen und klagte beim Arbeitsgericht auf Übersendung der Liste und Unterlassung des Arbeitgebers, den Betriebsrat bei seiner Betriebsratstätigkeit zu stören.
Vor dem Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gewann der Betriebsrat.
Das sagt das Gericht
Das BAG gab dem Gremium nur teilweise Recht. Die Richter sprachen dem Betriebsrat den Auskunftsanspruch bezüglich der Liste zu, sahen aber aus formalen Gründen den Unterlassungsantrag nicht als gerechtfertigt an. Das Ansinnen des Betriebsrats eine Liste über alle im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Menschen, auch aus der Gruppe der leitenden Angestellten, zu erhalten, unterstützten zu recht alle Gerichtszüge. Der Informationsanspruch des Betriebsrats bestehe nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Danach hat der Betriebsrat ein Recht auf Auskunft über die Namen der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer/innen. Dies gilt nicht nur wenn eine Wahl der SBV ansteht, sondern generell, denn dies gehöre zu der gesetzlichen Aufgabe des Betriebsrats, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen und sonstiger besonders schutzbedürftiger Personen zu fördern (§ 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG).
Auskunftsanspruch auch für leitende Angestellte
Normalerweise ist für leitende Angestellte allein deren Sprecherausschuss zuständig (§ 5 Abs. 2 BetrVG i. V. m. dem Sprecherausschussgesetz). Aber die eigene Inklusionsaufgabe des Betriebsrats (§ 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG) ist angelehnt an die in § 176 SGB IX formulierte Aufgabe aller Interessenvertretungen, die Inklusion zu fördern. Das heißt, die Wertung des SGB IX (Förderung, Ausstattung Arbeitsplätze, Förderung von Teilzeit, usw.) geht der Trennung der Beschäftigtengruppen vor, die § 5 BetrVG vornimmt.
Die Eingliederung schwerbehinderter Menschen oder denen Gleichgestellter ist ein Ziel des SGB IX, das nicht dadurch umgangen werden darf, indem man sagt, der Betriebsrat sei für diese Gruppe nicht zuständig. „Die Entstehungsgeschichte (des SGB IX – Red.) belegt die Absicht des Gesetzgebers, den mit der Norm bezweckten Schutz der schwerbehinderten Menschen möglichst umfassend und lückenlos auszugestalten.“, so die BAG Richter. Der Betriebsrat hat eine Obliegenheit darauf zu achten, dass der Arbeitgeber seine Verpflichtungen aus dem SGB IX auch einhält. Aus diesem Grund gelten die Förder- und Überwachungsaufgaben des Betriebsrats auch für alle schwerbehinderte oder gleichgestellte leitenden Angestellte. Die Schutzbedürftigkeit dieser Personengruppe bestehe ausschließlich wegen ihrer besonderen Bedürfnisse. „Den Fragen, welche Stellung der jeweils Betroffene im Betrieb oder Unternehmen hat und welche Befugnisse gegebenenfalls damit verbunden sind, kommt hingegen keine Bedeutung zu.“
Unterlassungsantrag scheitert
Das BAG hat den Auskunftsanspruch bestätigt, aber den Unterlassungsantrag für unzulässig erklärt, weil diesem bereits die Rechtshängigkeit des ersten Antrags nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegenstünde. Der Verfahrensgegenstand sei identisch, es werde nur zusätzlich das Recht auf störungsfreie Arbeit nach § 78 Satz 1 BetrVG geltend gemacht. Bei dem Unterlassungsantrag dürfte es sich eher um einen untergeordneten Antrag handeln. Relevant war doch vor allem der Zuspruch der Auskunftsrechte und die Erweiterung auch auf den Bereich der leitenden Angestellten.
Datenschutzkonzept des Betriebsrates
Interessant waren die rechtlichen Ausführungen zu dem Datenschutzkonzept, das des Betriebsrats im Rahmen der geforderten Auskunft beim Arbeitgeber angefertigt und diesem vorgelegt hatte. Es hielt einer richterlichen Prüfung stand und wurde als zulässige Maßnahme i. S. v. § 22 BDSG vom BAG akzeptiert. § 26 Abs. 3 BDSG verstoße nicht gegen Unionsrecht. Der Gesetzgeber habe in zulässiger Weise von der Öffnungsklausel in Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DSGVO Gebrauch gemacht. Dass der Gesetzgeber seinerseits nicht die erforderlichen angemessenen spezifischen Maßnahmen festgeschrieben habe, sei unschädlich. Die Mitgliedstaaten müssten geeignete Garantien für die Grundrechte und Interessen der betroffenen Person vorsehen. Dies sei durch den Verweis in § 26 Abs. 3 Satz 3 BDSG auf § 22 Abs. 2 BDSG geschehen, so die Richter.
Hinweis für die Praxis
Die Entscheidung ist von großer praktischer Bedeutung. Sie sichert das Informations- und Auskunftsrecht des Betriebsratsgremiums. Personen, die nach dem SGB IX der Förderung und des Schutzes bedürfen, kann der Betriebsrat nur unterstützen, wenn sie ihm auch namentlich bekannt sind. Diese Unterstützung sollte und darf nun auch die Gruppe der leitenden Angestellten durch den Betriebsrat erfahren.
Die rechtliche Bewertung des BAG zum Datenschutzkonzept des Betriebsrates und deren Zulässigkeit ist wichtig, wenn andere Betriebsräte in ihrem Betrieb solche Konzepte aufstellen wollen, die das Urteil bei der Gestaltung zugrunde legen können. D. h. es ist nicht systemwidrig ein solches Konzept zu machen und zudem liegt darin auch kein Verstoß gegen die DSGVO.
Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH
Quelle:
AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat, Newsletter vom 12. 12. 2023
Bettina KrämerDGB Rechtsschutz GmbH