Gerade vor der Betriebsratswahl will der Betriebsrat, der sich wieder aufstellt, Profil zeigen. Was sind die Themen im Betrieb und wie darf ich sie im Betrieb ansprechen und wo ist da die Grenze?
Grenze des Zulässigen sind z.B. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (§ 79 BetrVG). Der Begriff ist aber eng zu sehen, denn schließlich ist der Betriebsrat das Sprachrohr der Belegschaft und lebt vom Austausch mit Beschäftigten und mit Betroffenen von Versetzungen und Kündigungen. Gerade bei Umstrukturierungen wird der Arbeitgeber gerne möglichst lange Ruhe im Laden bewahren. Aber: Nicht alles was unangenehm ist, ist auch verboten. Dazu gibt es eine aktuelle Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts.
- Rechtsrat der Gewerkschaft ist jederzeit erlaubt und mit geschützt
- Dem Betriebsrat mitgeteilter geplanter interessenausgleichspflichtiger Personalabbau stellt kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis dar
Ist nicht eigentlich alles geheim? Mitnichten! Nicht selten gibt es darüber Unstimmigkeiten zwischen den Betriebsparteien. Ein dem Betriebsrat mitgeteilter geplanter interessenausgleichspflichtiger Personalabbau stellt kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis dar, so berechtigterweise das hessische Landesarbeitsgericht. Besonders pikant: In diesem Fall war nur eines der fünf Betriebsratsmitglieder Gewerkschaftsmitglied und wandte sich um Rat an die Gewerkschaft. Das fanden weder der Arbeitgeber noch die anderen Betriebsratsmitglieder in Ordnung und beantragten Ausschluss aus dem Betriebsrat wegen grober Pflichtverletzung. In diesem Fall ging es um einen Fall von „Einer gegen alle“ und der Aufhänger war die Regelung aus § 79 BetrVG zum Betriebs- und Geschäftsgeheimnis.
Sachverhalt
In einem 5er Betriebsratsgremium gab es nur ein Gewerkschaftsmitglied. Der Arbeitgeber informierte den Betriebsrat darüber, dass er die Produktion einer Linie einstellen und einige Abteilungen schließen wolle. Ein Betriebsratsmitglied, welches gleichzeitig Gewerkschaftsmitglied war, wurde darüber von einem anderen Betriebsratsmitglied informiert und zur Betriebsratssitzung eingeladen mit der Bitte, die Angelegenheit auf Wunsch des Arbeitgebers vertraulich zu behandeln, mit dem Hinweis auf schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit. Er informierte dennoch die Gewerkschaft. Der restliche Betriebsrat und der Arbeitgeber begehrten den Ausschluss dieses Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsratsgremium. Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt mit der Begründung, der Betriebsrat habe seine Vertraulichkeitspflichten in grober Weise verletzt.
Entscheidung
Das LAG führt zunächst aus, das gemäß § 23 Abs. 1 ein Ausschluss wegen grober Pflichtverletzung gesetzlicher Pflichten aus dem Betriebsrat beantragt wurde. Allerdings besteht, anders als das Arbeitsgericht meint, keine allgemeine Geheimhaltungspflicht. Sondern es besteht nur eine allgemeine Geheimhaltungsverpflichtung aus § 79 BetrVG.
Folgende wichtige Punkte urteilte das LAG:
- Ein dem Betriebsrat mitgeteilter geplanter interessenausgleichspflichtiger Personalabbau ist kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 79 BetrVG. Auch bei Entlassungen, Einstellungen und Versetzungen sind es jedenfalls dann keine Geheimnisse mehr, wenn das dafür vorgesehene mitbestimmungspflichtige Mitwirkungsverfahren eingeleitet ist. Eine Maßnahme nach §§ 111, 112 BetrVG verdient als solche keinen Geheimnisschutz. Ein Betriebsrat muss sich zur Wahrnehmung seiner Rechte mit der Belegschaft und insbesondere den Betroffenen (z.B. bei Versetzungen, Kündigungen) austauschen können. Mit der Info an den Betriebsrat hat der Arbeitgeber das Mitbestimmungsverfahren eingeleitet. Und ab dann jedenfalls handelt es sich nicht mehr um ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis.
- Der Betriebsrat musste nicht auf die Teilnahme des Gewerkschaftsvertreters an der Betriebsratssitzung gemäß § 31 BetrVG warten, um ihn zu informieren. Er durfte sich darauf vorbereiten und den Rat der Gewerkschaft einholen. Manche holen Rechtsprechung und Literatur ein, andere ihren Gewerkschaftssekretär. Das ist legitim aus Sicht der Rechtsprechung
- Selbst wenn es sich um eine Verletzung der Geheimhaltungspflicht gehandelt hätte, wäre es jedenfalls kein grober Verstoß.
Quelle:
Hessisches Landesarbeitsgericht 20.3.2017, 16 TaBV 12/17
Isabel Eder
Abteilung Mitbestimmung
SeminarTipp
BR-Starter Workshop
vom 19.04.2018
im Leonardo Hotel Ladenburg