Urteil

Einigungsstelle für Streit um Auskunftspflicht

In Unternehmen mit mehr als 100 Arbeitnehmern ist ein Wirtschaftsausschuss einzurichten. Der Arbeitgeber muss den Ausschuss umfassend unterrichten. Der Betriebsrat kann aber nicht sofort vor Gericht gehen, wenn der Ausschuss Informationen unvollständig oder nur als Ausdruck erhält. Zuerst muss die Einigungsstelle entscheiden.

Beim einem deutschen Post- und Paketdienst besteht ein Wirtschaftsausschuss mit sieben Mitgliedern. Der Ausschuss erhält vom Unternehmen vor seinen Sitzungen verschiedene Berichte zu den aktuellen Geschäftszahlen. Allerdings werden diese Berichte den Mitgliedern lediglich als Ausdrucke auf Papier zur Verfügung gestellt. Nur die umfangreichen Berichte zu den Kostenstellen  werden auf drei Laptops zu den Sitzungen bereitgestellt, die im Anschluss wieder zurückgegeben werden müssen. Die Excel-Dateien können nur gelesen, aber nicht bearbeitet werden.

Streit über Dateiformat

Mit diesem Vorgehen der Unternehmensleitung war der Gesamtbetriebsrat nicht einverstanden. Seiner Ansicht nach genügt das Ausdrucken nicht den gesetzlichen Pflichten zur Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses. Insbesondere müssen die Berichte sowie die Zahlenwerke in bearbeitungsfähigen Dateien übermittelt werden, damit der Ausschuss mit dem Arbeitgeber angemessen beraten könne. Um die Berichte effektiv analysieren und mit diesen auch arbeiten zu können, sei der Zugriff auf Dateien im Excel-Format zwingend erforderlich. Nur dann können Daten in eigene Listen kopiert und entsprechend ausgewertet werden. Anders seien Rückschlüsse  über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens nicht möglich.

Einigungsstelle ist zuständig

Das Gericht hält sich in diesem Fall jedoch nicht für vorrangig zuständig. Bevor der Streit über die Form der zu übermittelnden Informationen vor den Arbeitsgerichten ausgetragen werden kann, ist die Angelegenheit im Rahmen einer Einigungsstelle zu erörtern und dort eine Entscheidung herbeizuführen. Diese Verfahrensweise sieht das Gesetz in § 109 BetrVG vor. Und bevor nicht das Verfahren der Einigungsstelle durch eine Vereinbarung bzw. durch Spruch beendet ist, sind die Gerichte nicht zuständig. Die Einigungsstelle wurde jedoch von beiden Betriebsparteien nicht angerufen. Die Anträge des Gesamtbetriebsrats wurden dementsprechend als unzulässig abgewiesen.

Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers

Zwar konnte der Gesamtbetriebsrat die Unterrichtungsrechte des Wirtschaftsausschusses nicht durch einen Gerichtsbeschluss durchsetzen. Allerdings haben die Richter deutlich gemacht, dass bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betriebsparteien über ungenügende Auskünfte an den Wirtschaftsausschuss ein besonderes Verfahren zur Konfliktlösung durchzuführen ist: Die Einigungsstelle. Dieses Verfahren ist durchzuführen, wenn über den konkreten Umfang der Pflicht zur Unterrichtung keine Einigung zustande kommt. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung ergibt sich aus § 106 Abs. 2 BetrVG.

Art und Weise der Unterrichtung muss passen

§ 109 BetrVG regelt ausdrücklich, dass die Einigungsstelle zur Beilegung von Streitigkeiten zuständig ist, wenn der Arbeitgeber dem Wirtschaftsausschuss eine Auskunft gar »nicht« erteilt, »nicht rechtzeitig« erteilt oder „nur ungenügend“ erteilt. Also kann der (Gesamt-)Betriebsrat im Rahmen eines erzwingbaren Einigungsstellenverfahrens einen Konflikt sowohl über den Zeitpunkt der Auskunft als auch über die Art und Weise der Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses entscheiden lassen. Es geht also nicht bloß darum, dass die Auskunftspflicht vollständig sein muss. Vielmehr muss auch die (elektronische) Form der Auskünfte zur Arbeit des Ausschusses passen.

Der Sinn und Zweck einer Einigungsstelle ist es, interne Angelegenheiten zunächst innerhalb des Unternehmens zwischen den Betriebsparteien zu regeln. Und bei Unterlagen, die wirtschaftliche Angelegenheiten betreffen, dürfte es sich um »internste« Angelegenheiten handeln. Durch das Einigungsstellenverfahren wird vermieden, dass geschützte Informationen in einem Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht diskutiert werden, bei dem die Öffentlichkeit zugelassen ist. Hieran haben sowohl der Arbeitgeber als der Betriebsrat ein Interesse.

Betriebsrat richtet den Wirtschaftsausschuss ein

Im Gesetz ist zwingend vorgeschrieben, dass der Betriebs- bzw. Gesamtbetriebsrat den Wirtschaftsausschuss errichten und seine Mitglieder bestimmen muss, wenn im Unternehmen in der Regel mehr als 100 Arbeitnehmer ständig beschäftigt werden – auch Auszubildende und Leiharbeitnehmer zählen mit. Lehnt der Arbeitgeber die Bildung des Ausschusses ab, entscheidet das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren. Der Betriebs- bzw. Gesamtbetriebsrat von kleineren Unternehmen kann hingegen keinen Wirtschaftsausschuss bilden. Er kann die Aufgaben des Ausschusses auch nicht selbst übernehmen.

Jens Pfanne, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

BAG (12.02.2019)
Aktenzeichen 1 ABR 37/17
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 22.5.2019.