Verdacht rechtfertigt keinen Rauswurf

Verdacht rechtfertigt keinen Rauswurf

Die Volkswagen AG durfte einen Montagewerker nicht wegen des Verdachts entlassen, dass dieser der »salafistischen Szene« angehört. Auch der Umstand, dass ihm zwischenzeitlich der Reisepass entzogen war, rechtfertigt keine Kündigung – so das LAG Niedersachsen.

Der Kläger ist von Geburt deutscher Staatsangehöriger. Er war seit dem 1.9.2008 bei der Beklagten als Montagewerker beschäftigt. Diese hat die Kündigung darauf gestützt, dass der Verdacht bestehe, der Kläger wolle sich dem militanten »Jihad« anschließen. Der Kläger war zur Kontrolle und Grenzfahndung ausgeschrieben. Eine am 28.12.2014 beabsichtigte Flugreise des Klägers nach Istanbul wurde von der Bundespolizei unterbunden.

Reisepass nur befristet entzogen

In der Folge wurde dem Kläger der Reisepass entzogen. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig zurückgewiesen (7.9.2016, 5 A 99/15). Die Beklagte kündigte in der Folge das Arbeitsverhältnis, weil durch das Verhalten des Klägers der Betriebsfrieden und die Sicherheit im Unternehmen gefährdet seien. Im Januar dieses Jahres erhielt der Kläger einen neuen Reisepass ausgestellt.

Störung des Arbeitsverhältnisses erforderlich

Das Arbeitsgericht Braunschweig hat die gegen die Wirksamkeit der Kündigungen gerichtete Klage abgewiesen (ArbG Braunschweig, 8 Ca 507/16). In der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hatte der Kläger Erfolg. Das LAG erklärte die fristlose und die ordentliche Kündigung für unwirksam.

Der bloße Verdacht einer Zugehörigkeit zur radikal militanten »Jihad-Bewegung« und der damit begründete präventive Entzug des Reisepasses sind als Grund für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nicht ohne weiteres ausreichend. Nur bei einer konkreten Störung des Arbeitsverhältnisses sind solche Umstände als Kündigungsgründe geeignet.

Kein dringender Verdacht

Die Beklagte konnte eine solche konkrete Störung jedoch ebenso wenig aufzeigen wie einen dringenden Verdacht, dass der Kläger den Frieden oder die Sicherheit im Betrieb stören könnte. Rein außerdienstliche Umstände können die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses weder fristlos noch fristgemäß rechtfertigen.

Das LAG Niedersachsen hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfragen die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle
LAG Niedersachsen (12.03.2018)
Aktenzeichen 15 Sa 319/17
LAG Niedersachsen, Pressemitteilung vom 12.3.2018

Peter_VoigtPeter Voigt
Abteilung Arbeits- und Sozialrecht