Das BAG hat einen wichtigen Meilenstein für die Rechte von Teilzeitbeschäftigten gesetzt: Eine Beschäftigte, die zuvor in Teilzeit beschäftigt war und ihre Arbeitszeit auf eine Vollzeitstelle aufstockte, hat auch einen Anspruch auf eine entsprechende Erhöhung ihrer Leistungszulage. Verdoppelt sich die Arbeitszeit, verdoppelt sich auch die Zulage.
Die Arbeitnehmerin war von 1998 bis Juni 2007 bei der Arbeitgeberin in deren Krankenhaus als Physikingenieurin in der Strahlentherapie beschäftigt. Sie wechselte dann mit gleicher Tätigkeit zu einem anderen Arbeitgeber, bei dem sie zuletzt in Teilzeit (50 %) eingesetzt war.
2014 kehrte die Arbeitnehmerin in Teilzeit zur beklagten Arbeitgeberin zurück. Arbeitsvertraglich wurde die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrag in kirchlicher Fassung (BAT-KF) und eine Vergütung nach dessen Entgeltgruppe 14 vereinbart. Darüber hinaus erhielt die Arbeitnehmerin seit Beginn des Arbeitsverhältnisses monatlich 250,00 € brutto, die in den Gehaltsabrechnungen als »Leistungszulage« ausgewiesen wurden. Damit sollte die Differenz zwischen der von ihr bei ihrem vorherigen Arbeitgeber erzielten Monatsvergütung und derjenigen, welche die Arbeitgeberin ihr bei Anwendung des BAT-KF für eine entsprechende Teilzeitbeschäftigung anbieten konnte, ausgeglichen werden. Ohne diese Zahlung wäre die Arbeitnehmerin nicht bereit gewesen, zur jetzigen Arbeitgeberin zurückzukehren.
Im Jahr 2020 wollte die Arbeitnehmerin ihre Arbeitszeit auf Vollzeit mit 38,5 Wochenstunden aufstocken, was die Arbeitgeberin zunächst ablehnte, sodann einigte man sich auf eine Erhöhung der Arbeitszeit auf Vollzeit ab dem 1.5.2022. Seither erhielt die Arbeitnehmerin die Vergütung aus der Vollzeittätigkeit nach dem BAT-KF, die Zulage von 250,00 € brutto wurde aber nicht auf einen Betrag von 500,00 € brutto angehoben.
Das sagt das Gericht
Die Zulage hätte nach Bundesarbeitsgericht verdoppelt werden müssen.
Die Verpflichtung zur Aufstockung auch der Zulage ergebe sich zwar nicht aus § 9 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), aber im Wege einer (ergänzenden) Auslegung des Arbeitsvertrags.
Kein Anspruch auf Erhöung der Zulage nach TzBfG
Wie § 8 TzBfG bei der Verringerung enthält auch § 9 TzBfG bei der Verlängerung der Arbeitszeit keine konkrete Regelungen zur Höhe der Vergütungsleistung. In § 9 TzBfG ist gerade nicht geregelt, dass bei der Besetzung eines Vollzeitarbeitsplatzes durch einen Teilzeitarbeitnehmer eine Anpassungsregelung vorzunehmen wäre, die alle Arbeitsbedingungen – also auch die Vergütung – umfasst. Sowohl bei der Verkürzung der Arbeitszeit als auch bei der Verlängerung überlässt die gesetzliche Regelung die Bestimmung der Folgen für die Vergütung der Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien. Dies bedeutet, dass bei einer Verlängerung der Arbeitszeit auch (regelmäßig vertraglich) geregelt werden muss, wie dann die Vergütung gestaltet wird. Lediglich zum Schutz der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen verbietet es deren Diskriminierung bei der Vergütung, indem den Teilzeitbeschäftigten in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ein entsprechender Anspruch auf die Vergütung zugesprochen wird. Mit der Aufstockung auf Vollzeit wird das auf die bisherige Teilzeitbeschäftigung zugeschnittene Vergütungssystem nicht mehr sachgerecht und bedarf einer Neubestimmung.
Anspruch auf Erhöhung aufgrund ergänzender Vertragsauslegung
Regelmäßig hat hier der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen neuen, auf die Vollzeitbeschäftigung zugeschnittenen Arbeitsvertrag anzubieten, was im konkreten Fall auch geschehen ist. Diesen Vertrag nahm die Arbeitnehmerin allerdings nicht an, weil ihr die Erhöhung der Zulage fehlte. Können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Aufstockung der Arbeitszeit auf Vollzeit über die jetzt maßgebliche Vergütung – auch in Bezug auf die Zulagen – nicht einigen, dann wird der auf die vormalige Teilzeitarbeit ausgerichtete Arbeitsvertrag lückenhaft, zumindest was die Leistungszulage betrifft. Es bedarf somit der Anpassung der Vergütung für den erhöhten zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung durch eine ergänzenden Vertragsauslegung. Für diese ist maßgeblich, was die Arbeitsvertragsparteien in einem derartigen Fall bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart hätten. Im konkreten Fall wäre dies konsequenterweise die Erhöhung der Zulage von 250,00 € auf 500,00 € gewesen.
Praxistipp
Bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über eine Erhöhung der Teilzeitarbeit ist immer zu beachten, dass es hinsichtlich der Vergütung nicht nur um das Grundgehalt geht, sondern auch um Zulagen und ähnliche Leistungen. Dass bei der Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit nach § 9 TzBfG auch das Grundgehalt um diesen Faktor der Erhöhung anzuheben ist, stellt eine Selbstverständlichkeit dar und wird – insbesondere im öffentlichen Dienst – sicherlich vom keinem Arbeitgeber in Zweifel gezogen werden. Allerdings lässt sich aus der Bestimmung des § 9 TzBfG nicht herleiten, dass bei einer Arbeitszeiterhöhung stets auch alle Zusatzbestandteile zur Vergütung nach dem jeweiligen Faktor der Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit erhöht werden müssen. Deshalb hat sich das BAG dafür ausgesprochen, dass in einer solchen Situation der (bisherige) Arbeitsvertrag lückenhaft geworden ist und im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung diese Lücke zu schließen ist. Die weiteren Vergütungsbestandteile – im konkreten Fall war es die Leistungszulage – sind ebenfalls entsprechend zu erhöhen.
Quelle
BAG (13.12.2023)
Aktenzeichen 5 AZR 168/23