(Stand: 25.03.2020)
Viele Arbeitnehmer(innen) können ihren Job flexibel und mobil auf Dienstreisen oder im Homeoffice erledigen. Gerade in der aktuellen Situation gewinnt dies immens an Bedeutung. Denn um der Ausbreitung des Corona-Virus entgegenzuwirken, sind derzeit viele im Homeoffice tätig.
Da stellt sich selbstverständlich auch die eine oder andere Frage, was dabei besonders zu berücksichtigen ist. Wir zeigen die wichtigsten Aspekte auf.
1. Was ist der Unterschied zwischen mobiler Arbeit, Homeoffice und Telearbeit?
Der Begriff Telearbeit findet sich einerseits in § 5 Abs. 1 BetrVG; andererseits findet er sich in § 2 Abs. 7 der Arbeitsstättenverordnung. Telearbeit im Sinne des BetrVG meint Tätigkeiten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit außerhalb des Betriebs und mithilfe von Informations- und/oder Kommunikationstechniken erbracht werden. Bei der sogenannten alternierenden Telearbeit werden Beschäftigte zusätzlich im Betrieb tätig. Telearbeit im Sinne des BetrVG ist also sehr weitgefasst und umfasst damit auch die Tätigkeit von zu Hause. Im Arbeitsschutzrecht ist Telearbeit anders geregelt. Die Definition ist sehr eng gefasst. Die Voraussetzungen für Telearbeitsplätze sind nach der Arbeitsstättenverordnung:
– Vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze
– Im Privatbereich der Beschäftigten
– Festlegung einer mit den Beschäftigten festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit
– Festlegung der Dauer der Einrichtung der Bildschirmarbeitsplätze
Der Begriff Homeoffice dagegen findet sich gar nicht in einer gesetzlichen Regelung. Es ist ein englischer Begriff und vielmehr als Oberbegriff für die Arbeit von zu Hause zu verstehen, unabhängig davon, wie sie mit Blick auf arbeitsschutzrechtliche Vorschriften ausgestaltet ist. Unter Homeoffice wird üblicherweise die Telearbeit verstanden, die zu Hause ausgeführt wird; typischerweise auch in abhängiger Beschäftigung. Formalrechtlich handelt es sich um „mobile Arbeit“ die den Regelungen des ArbSchG unterliegt.
Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen – gerade auch mit Blick auf Corona gilt:
Wenn von mobiler Arbeit im Rahmen der Corona-Krise gesprochen wird, ist üblicherweise gemeint, dass Beschäftigte nicht irgendwo, sondern gerade zu Hause arbeiten sollen, denn es gilt ja die grundsätzliche Empfehlung, das Kontaktverbot einzuhalten. Dabei werden aber gerade die Vorschriften nach der Arbeitsstättenverordnung, die aus unserer Sicht für den Schutz der Beschäftigten erforderlich sind, nicht eingehalten werden können. Das liegt auch daran, dass man hier zeitliche Schwierigkeiten hat, da mobile Arbeit häufig innerhalb von wenigen Tagen eingeführt werden soll.
2. Hat der Betriebsrat bei mobiler Arbeit mitbestimmen?
Ja. Der Betriebsrat hat beim Thema mobile Arbeit mitzubestimmen gemäß § 87 BetrVG:
– Das gilt mit Blick auf Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Verteilung auf die Wochentage, wenn das von der Regelung umfasst ist (Nr. 2)
– Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (Nr. 3)
– Bei technischen Einrichtungen, etwa der Einführung oder Änderung einer Zeiterfassungs- oder Kollaborationssoftware, wenn eine Überwachung der Beschäftigten auch nur möglich erscheint (Nr. 6)
– Bei Fragen des Arbeitsschutzes im Rahmen gesetzlicher Regelungen oder Unfallverhütungsvorschriften (Nr. 7)
3. Wie sieht die Mitbestimmung im Arbeitsschutz bei mobiler Arbeit aus?
Der Betriebsrat hat bei der Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) und der Unterweisung (§12 ArbSchG) mitzubestimmen und hier sind die Bedingungen der mobilen Arbeit zu berücksichtigen.
Soweit es sich um Telearbeit im Rahmen des § 2 Abs. 7 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) handelt, gelten die in der ArbStättV getroffenen Regelungen für Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich (z. B. regelmäßige Erholungszeiten, Raumabmessungen/Bewegungsflächen nachAMR 1.2). Das gilt aber, wie bereits gesagt, nur für festeingerichtete Telearbeitsplätze (s. dazu 1.).
Dort, wo die Regelungen nicht greifen, also für nur „gelegentliches Arbeiten“ (in Zeiten von Corona dürfte das aber viel mehr sein…) von zu Hause ohne fest vom Arbeitgeber eingerichtete Arbeitsplätze, ist es umso wichtiger, Regelungen in Betriebsvereinbarungen zugunsten der Beschäftigten zu treffen, um ein ähnliches Schutzniveau zu erreichen.
Wo sie aber gelten, können Betriebsräte eine .berprüfung der Gefährdungsbeurteilung und der Unterweisung angesichts dieser Regelungen in der Arbeitsstättenverordnung verlangen.
Auch die Regelungen der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) müssen eingehalten werden. Der Arbeitgeber darf nur diese Arbeitsmittel zur Verfügung stellen und verwenden lassen, die unter Berücksichtigung der vorgesehenen Einsatzbedingungen bei der Verwendung sicher sind. Die Arbeitsmittel müssen für die Art der auszuführenden Arbeiten geeignet sein, sodass Gefährdungen so gering wie möglich sind (§ 5 Abs. 1 Betriebssicherheitsverordnung).
Bei Tätigkeiten an Bildschirmgeräten muss der Arbeitgeber außerdem eine Angebotsvorsorge anbieten, sprich eine arbeitsmedizinische Vorsorge für bestimmte gefährdende Tätigkeiten nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um mobile Arbeit, Arbeit an Bildschirmarbeitsplätzen oder Telearbeitsplätzen handelt.
4. Wer stellt die Arbeitsmittel für mobile Arbeit?
Die Arbeitsmittel zu stellen, ist Aufgabe des Arbeitgebers. Wenn Beschäftigte Arbeitsmittel einbringen, wird das als „bring your own device“ bezeichnet.
Muss ich mein privates Arbeitsmittel mitbringen? Ein privates Gerät mitzubringen, ist vom Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht umfasst. Individualvertraglich wäre hier eine arbeitsvertragliche Änderungsvereinbarung denkbar. Mit Blick auf datenschutzrechtliche Vorschriften bräuchte es hier eine Einwilligung von den Beschäftigten gemäß § 26 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Freiwilligkeit kann nach § 26 Abs. 2 BDSG dann vorliegen, wenn für Beschäftigte ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil erreicht wird.
Bekomme ich dafür etwas vom Arbeitgeber? Die Beschäftigten haben für die Nutzung eines privaten Mobilgeräts zu dienstlichen Zwecken gegen den Arbeitgeber einen Aufwendungser- satzanspruch nach § 670 BGB. Das ist darin begründet, dass Beschäftigte in diesem Fall ihr pri- vates Vermögen einbringen für den Arbeitgeber und im Interesse des Arbeitgebers; deshalb sollte der Arbeitgeber dafür eine Entschädigung zahlen.
Dann wäre hier auch ein wirtschaftlicher Nutzen vorhanden und die Einwilligung gegebenen- falls freiwillig aus datenschutzrechtlichen Aspekten.
5. Was gilt bei mobiler Arbeit, wenn kein Betriebsrat vorhanden ist?
Mobile Arbeit kann nicht im Rahmen des Direktionsrechts vom Arbeitgeber angewiesen werden. Es handelt sich vielmehr um eine individualrechtliche (Änderungs-)Vereinbarung, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur Verfügung stellen kann.
Hier sollten die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
– Nennung des konkreten Grundes für die Regelung für die kurzfristige mobile Arbeit (konkret: Corona)
– Befristung der Regelung, z. B. bis Ende Juni 2020
– Haftung: Beschränkung der Haftung für Arbeitnehmer*innen auf Vorsatz
– Zusatzversicherung zur Unfallversicherung, damit alle Tätigkeiten mobiler Arbeit versichert sind
– Datenschutz: Verantwortlichkeit des Arbeitgebers (mit Blick auf z.B. WLAN-Nutzung von zu Hause)
6. Wie könnte eine Betriebsvereinbarung zu mobiler Arbeit in Zeiten von Corona aussehen?
Wenn eine Betriebsvereinbarung für den Krisenfall Corona kurzfristig erarbeitet werden soll, dann ist es empfehlenswert, auf jeden Fall eine Befristung vorzusehen und den genauen Grund der mobilen Arbeit anzugeben – in diesem Fall Corona. Damit ist gewährleistet, dass man als Betriebsrat nicht auf Dauer mobile Arbeit regelt, obwohl es sich eigentlich um Telearbeit handelt i.S.d ArbStättV, und damit die arbeitsschutzrechtlichen Schutzvorschriften zu Telearbeit nach der Arbeitsstättenverordnung unterläuft, denn eigentlich wird eben häufig gerade diese Telearbeit geregelt, die den Voraussetzungen der Arbeitsstättenverordnung unterliegen soll. Aktuell wird es aber nicht möglich sein, auf die Schnelle die Voraussetzungen der Arbeitsstättenverordnung so kurzfristig zu erfüllen. Deswegen der Vorschlag einer Regelung für diese Fälle:
– Nennung des konkreten Grundes in der Betriebsvereinbarung für die kurzfristige mobile Arbeit (konkret: Corona)
– Befristung der Betriebsvereinbarung, z. B. bis Ende Juni 2020
– Ausschluss der Nachwirkung der Betriebsvereinbarung
– Verpflichtung auf weitere Verhandlungen zum Thema mobile Arbeit und Telearbeitnach der Arbeitsstättenverordnung bis zu einem bestimmten Termin, z. B. Ende Juni 2021
– Bei Nichteinigung bis zu diesem Datum besteht für die Betriebsparteien die Möglichkeit, die Einigungsstelle anzurufen
Mit diesen Klauseln ist zumindest gewährleistet, dass man der besonderen Situation Rechnung trägt und auch eine verpflichtende Regelung getroffen hat, die die Betriebsparteien danach dazu bringt, Vereinbarungen zu treffen, die den arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen entsprechen.
Hierzu haben wir auch eine Musterbetriebsvereinbarung entwickelt, die man als Anregung für mögliche betriebliche Beispiele nutzen kann.
Folgende Regelungen empfehlen sich in einer Betriebsvereinbarung allgemein:
– Begriffsdefinition: Telearbeit oder mobile Arbeit sollten klar definiert werden
– Benachteiligungsverbot: Zugang zu Fort- und Weiterbildung auch in der Form, die für mobile Arbeit genutzt werden kann (E-Learning, Webinare)
– Kommunikation: Gewährleistung des Informationsaustauschs im Team und mit Vorgesetzten, Kommunikationszeiten im Team festlegen
– Prozess der Antragstellung und Entscheidung: Führungskraft, paritätische Kommission, Gleichbehandlung, Festlegung möglicher Arbeitsplätze für mobile Arbeit
– Umfang: z.B. 2 von 5 Tagen; anlässlich von Corona eventuell darüber hinaus
– Freiwilligkeit und Befristung von mobiler Arbeit, Rücknahmem.glichkeiten
– Arbeitszeiterfassung und Erreichbarkeit regeln
– Arbeitsplatz: Arbeitsmittel werden vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, inkl. Ausstattung des häuslichen Arbeitsplatzes (Mobiliar wie Tisch und Stuhl, Kommunikationsanschluss, PF, Drucker… ), Wartungskosten und Kosten für Arbeitsmittel trägt AG, weitere Kosten
– Datenschutz: Arbeitgeber ist für Einhaltung verantwortlich, keine Leistungs- und Verhaltenskontrollen
– Schulungen: Inhalte zu Ergonomie, Datenschutz, Zeitmanagement
– Arbeitsschutz: Gefährdungsbeurteilung, § 2 Abs. 7 ArbStättV
– Haftung: Beschränkung der Haftung für Arbeitnehmer*innen auf Vorsatz
– Zusatzversicherung zur Unfallversicherung, damit alle Tätigkeiten mobiler Arbeit versichert sind
7. Muss mobile Arbeit immer freiwillig sein?
Es besteht keine Verpflichtung, mobil zu arbeiten. In der Regel unterliegt das einer Betriebsvereinbarung oder einer arbeitsvertraglichen Regelung.
Hinweis zur chemischen Industrie: Im Bereich der chemischen Industrie gibt es dazu im Tarifvertrag Moderne Arbeitswelten eine Regelung zu mobiler Arbeit, die eine doppelseitige Freiwilligkeit vorsieht. Doppelseitige Freiwilligkeit bedeutet, dass sowohl der Arbeitgeber nach dem Tarifvertrag nicht gezwungen werden kann, mobile Arbeit einzuführen; andererseits aber auch Arbeitnehmer*innen nicht dazu gezwungen werden können, in mobile Arbeit zu gehen. Die Vorschrift im Manteltarifvertrag sieht den Abschluss von freiwilligen Betriebsvereinbarungen zu mobiler Arbeit vor. Aufgrund der Corona-Krise hat der BAVC mit der IG BCE eine Vereinbarung (keinen Tarifvertrag) geschlossen, wonach befristet bis zum 31.12.2020 ohne Nachwirkung geregelt ist, dass:
Um während der Pandemie die Arbeitnehmer*innen weitgehend vor Infektionen am Arbeitsplatz zu schützen, kann der Arbeitgeber auf Basis einer freiwilligen Betriebsvereinbarung mobiles Arbeiten anordnen.
Das heißt, die doppelseitige Freiwilligkeit ist ersetzt worden durch eine einseitige Freiwilligkeit. Das bedeutet, dass eine Betriebsvereinbarung nach dem Tarifvertrag moderne Arbeitswelten auch eine Betriebsvereinbarung sein kann, die mobile Arbeit für Beschäftigte anordnet.
Bei Fragen wendet Euch gerne an Euren Bezirk.
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