Die Arbeitnehmerin ist in Spanien bei einer Sicherheitsfirma beschäftigt. Im November 2014 brachte sie ein Kind zur Welt, das sie auch stillt. Seit März 2015 arbeitet sie als Sicherheitsbedienstete in einem Einkaufszentrum. Ihre Arbeitszeit ist in achtstündigen Wechselschichten organisiert, die zum Teil in den Nachtstunden liegen. Sie wollte erreichen, dass ihr Arbeitsverhältnis für die Stillzeit ruht und sie dafür eine nach spanischem Recht vorgesehene Geldleistung erhält. Diese Sozialleistung entspricht in etwa dem Mutterschutzlohn bzw. Mutterschaftsgeld nach deutschem Recht (§§ 18-19 MuSchG).
Die Arbeitnehmerin beantragte bei der zuständigen spanischen Berufsgenossenschaft ein ärztliches Attest, dass ihr Arbeitsplatz für sie während der Stillzeit gesundheitlich riskant ist. Die Berufsgenossenschaft verweigerte ihr die Ausstellung dieses Attests. Die Arbeitnehmerin klagte gegen die Entscheidung. Das zuständige spanische Gericht legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Fragen vor, die europäisches Recht betreffen.
Maßgeblich für die Entscheidung sind zwei EU-Richtlinien:
- Die Mutterschutzrichtlinie bestimmt, dass Arbeitnehmerinnen während der Schwangerschaft und kurz nach der Entbindung nicht zu Nachtarbeit verpflichtet sein dürfen (92/85/EWG vom 19.10.1992). Ein ärztliches Attest muss die Schutzbedürftigkeit bestätigen.
- Die Gleichbehandlungsrichtlinie regelt die Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Arbeitsleben(2006/54/EG vom 5.7.2006). Die Richtlinie kehrt in bestimmten Fällen die Beweislast um, so dass dann Arbeitgeber beweisen muss, dass keine Diskriminierung stattgefunden hat.
EuGH: Nachtschichten für Schwangere und Stillende sind untersagt
Der EuGH entschied auf die Fragen des spanischen Gerichts:
- Die Klägerin leistet auch dann Nachtarbeit im Sinne der Mutterschutzrichtlinie, wenn sie in Schichten arbeitet und die Schichten nur zum Teil in der Nachtzeit liegen. Sie genießt daher den besonderen Schutz für stillende Mütter, sofern sie ein entsprechendes Attest vorlegt.
- Auch die Gleichbehandlungsrichtlinie findet Anwendung, einschließlich der Beweislastumkehr. Die zuständige Berufsgenossenschaft hätte ihren Arbeitsplatz unter Berücksichtigung ihrer individuellen Situation auf gesundheitliche Risiken überprüfen müssen. Bringt die Arbeitnehmerin vor, dass diese Prüfung verweigert wurde, spricht dies dafür, dass sie diskriminiert worden ist.
Das spanische Gericht muss nun im Einklang mit diesem Urteil eine endgültige Entscheidung fällen.
Mutterschutz in Deutschland
In Deutschland besteht ein strenger Schutz für Schwangere und stillende Mütter: Nacht- und Feiertagsarbeit ist für sie nur zwischen 20 und 22 Uhr erlaubt (§ 5 MuSchG), wobei eine ärztliche Erlaubnis nötig ist und die Arbeitnehmerin und die Aufsichtsbehörde zustimmen müssen (§ 28 MuSchG). Das Gesetz bestimmt, dass eine schwangere oder stillende Frau ihre Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann (§ 28 Abs. 1 Satz 3 MuSchG).
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EuGH: Keine Nachtarbeit für stillende Mütter© bund-verlag.de