Im Jahr 2023 gab es wieder viele wichtige Entscheidungen der Gerichte, die Ihr als Betriebsrat kennen solltet. Hier ein Überblick mit den 10 relevantesten Gerichtsentscheidungen zu Themen wie Mitbestimmung bei der Arbeitszeiterfassung, Verbot privater Handynutzung und zur Ruhezeit.
1. BAG: Gleicher Lohn ist keine Frage des Verhandlungsgeschicks
Frauen haben Anspruch auf den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit wie ihre männlichen Kollegen. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob Männer einen besseren Lohn ausgehandelt haben. So eine Grundsatzentscheidung des BAG. (BAG 16. 2. 2023 – 8 AZR 450/21)
2. Mitbestimmen beim »Wie« der Arbeitszeiterfassung
Der Betriebsrat kann beim Arbeitgeber Regelungen über das »Wie« der Arbeitszeiterfassung erzwingen. Er hat folglich auf die Auswahl der Zeiterfassungssysteme und der Softwaretools Einfluss. (LAG München 22. 5. 2023 – 4 TaBV 24/23)
3. BAG: Keine Mitbestimmung bei Verbot privater Handynutzung
Ein Arbeitgeber kann die private Handynutzung im Job während der Arbeitszeit verbieten, ohne den Betriebsrat zu beteiligen. Eine entsprechende Weisung ist nicht mitbestimmungspflichtig, weil sie das unmittelbare Arbeitsverhalten der Beschäftigten betrifft. (BAG 17. 10. 2023 – 1 ABR 24/22)
4. BGH zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern
Haben sich VW-Manager wegen der Bewilligung von Betriebsratsbezügen strafbar gemacht? Mit dieser Frage befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH). Der Straftatbestand der Untreue (§ 266 Strafgesetzbuch) kann erfüllt sein, wenn einem Betriebsratsmitglied unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt wird. (BGH 10. 1. 2023 – 6 StR 133/22)
5. BAG zur Kündigung wegen Äußerungen in einer privaten Chatgruppe
Beleidigende und rassistische Äußerungen sind auch in der digitalen Welt tabu. Äußert sich ein Arbeitnehmer in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und Kollegen, kann das eine außerordentliche Kündigung nach sich ziehen. Nur im Ausnahmefall kann sich der Beschäftigte auf Vertraulichkeit berufen. (BAG 24. 8. 2023 – 2 AZR 17/23)
6. EuGH: Tägliche Ruhezeit kommt zur wöchentlichen Ruhezeit hinzu
Tägliche und wöchentliche Ruhezeiten dürfen sich nicht überschneiden. Die unterschiedlichen Ruhezeiten sind zwei autonome Rechte von Beschäftigten, die unabhängig voneinander eingehalten werden müssen. Beide sind daher nacheinander zu gewähren, auch wenn sie direkt aufeinander folgen. Dann sind sie zu einer Gesamtruhezeit zusammenzurechnen. (EuGH 2. 3. 2023 – C-477/21)
7. BAG zur Höhe der Zuschläge bei regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit
Eine Regelung in einem Tarifvertrag, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht als für regelmäßige, verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes, wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vorliegt. Dieser muss aus dem Tarifvertrag erkennbar sein. (BAG 22. 2. 2023 – 10 AZR 332/20)
8. Fristlose Kündigung wegen zehn Minuten
Begehen Mitarbeiter Arbeitszeitbetrug, können Arbeitgeber ihnen fristlos kündigen. Eine Abmahnung ist entbehrlich, wenn der Beschäftigte seine Tat geleugnet und verschleiert hat. Das gilt auch bei einem einmaligen Vergehen wie einem Arbeitszeitbetrug von zehn Minuten. (LAG Hamm 27. 1. 2023 – 13 Sa 1007/22)
9. BAG: Betriebsratsvorsitzender kann nicht Datenschutzbeauftragter sein
Der Vorsitz im Betriebsrat steht den Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten des Arbeitgebers typischerweise entgegen. Dies berechtigt den Arbeitgeber, die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten zu widerrufen. (BAG 6. 6. 2023 – 9 AZR 383/19)
10. BAG zur Beweisverwertung bei offener Videoüberwachung
In einem Kündigungsschutzprozess besteht grundsätzlich kein Verwertungsverbot in Bezug auf Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Das gilt auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht. (BAG 29. 6. 2023 – 2 AZR 296/22)
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