Die dreijährige Verjährungsfrist für den gesetzlichen Urlaub beginnt erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat – so das Bundesarbeitsgericht.
Darum geht es
Der Arbeitgeber beschäftigte die Arbeitnehmerin von November 1996 bis Juli 2017 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses zahlte der Arbeitgeber der Buchhalterin zur Abgeltung von 14 Urlaubstagen 3.201,38 Euro brutto. Ihrer weitergehenden Forderung, Urlaub im Umfang von 101 Arbeitstagen aus den Vorjahren abzugelten, kam der Arbeitgeber nicht nach.
Während des Rechtsstreits sprach das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf der Klägerin 17.376,64 Euro brutto zur Abgeltung weiterer 76 Arbeitstage zu. Dabei erachtete das LAG den Einwand des Arbeitgebers, die geltend gemachten Urlaubsansprüche seien verjährt, für nicht durchgreifend (LAG Düsseldorf, 21.2.2020 – 10 Sa 180/19 -). Der Arbeitgeber legte Revision ein und berief sich weiterhin auf die gesetzliche Verjährungsfrist.
Im Revisionsverfahren legte das Bundesarbeitsgericht (BAG) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, ob der Urlaub, wenn er nicht verfällt, dennoch innerhalb der gesetzlichen Frist (dies wären in Deutschland drei Jahre) verjähren kann (BAG 29.11. 2020 – 9 AZR 266/20 (A) – ). Der EuGH beantwortete das Vorabentscheidungsersuchen mit Vorgaben zur richtlinienkonformen Auslegung des Verjährungsrechts; dieses sei nachrangig hinter dem Ziel, die Gesundheit der Arbeitnehmer durch den gesetzlichen Urlaub zu schützen (EuGH, 22. 9. 2022 – C-120/21 –).
Das sagt das BAG
In Anwendung dieser Vorgaben hatte die Revision des Arbeitgebers keinen Erfolg. Zwar finden die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber
- den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt
- und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Gesundheitsschutzzweck des Urlaubs geht Verjährung vor
Das BAG setzt damit die Vorgaben des EuGH in seiner Vorabentscheidung um. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs tritt der Zweck der Verjährungsvorschriften, die Gewährleistung von Rechtssicherheit, in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurück, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Urlaubs zu schützen.
Urlaubsanspruch ist nicht verfallen
Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole. In diesem Rechtsstreit hat der Beklagte die Klägerin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) noch konnte der Beklagte mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt. Den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs hat die Klägerin innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben.
Hinweis für die Praxis
Vor einigen Jahren entschied der EuGH, dass Urlaub erst im Sinne des BUrlG verfallen kann, wenn der Arbeitgeber die Beschäftigten über ihren Urlaubsanspruch und den drohenden Verfall hingewiesen hat, so dass sie den Urlaub auch nehmen können. Jetzt haben BAG und EuGH auch Klarheit für die gesetzliche Verjährung geschaffen: Ansprüche auf Urlaub verjähren in der gesetzlichen Frist von drei Jahren. Auch diese Verjährungsfrist beginnt aber erst, wenn der Arbeitgeber seine Warn-Obliegenheit erfüllt hat – Untätigkeit wird nicht belohnt!
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Quelle
BAG (20.12.2022)
Aktenzeichen 9 AZR 266/20
BAG, Pressemitteilung Nr. 48/22 vom 20.12.2022