Mobile Arbeit: Arbeitgeber kann Präsenzzeiten nicht einseitig anordnen

Bei der Frage, wie mobile Arbeit im Betrieb ausgestaltet wird, darf der Betriebsrat mitbestimmen. Ist dazu eine Betriebsvereinbarung geschlossen, kann der Betriebsrat Unterlassung verlangen, wenn der Arbeitgeber einseitig über das Vereinbarte hinaus Präsenztage anordnet – so das LAG München in einem Eilverfahren.

Das war der Fall

Die Arbeitgeberin, die Allianz Re, ist ein Rückversicherungsunternehmen der Allianz-Gruppe mit ca. 300 Beschäftigten in München. 2016 wurde zwischen der Allianz Re und dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit abgeschlossen. Danach war mobiles Arbeiten für die Beschäftigten auf freiwilliger Basis und in Abstimmung mit dem Vorgesetzten möglich, solange der überwiegende Teil der Arbeit im Betrieb erfolgte.

Während der Corona-Pandemie wurde die Möglichkeit mobiler Arbeit von der Arbeitgeberin noch ausgeweitet. Nach dem Ende der Pandemie lief die Corona-Regelung zum 31.3.2023 aus. Arbeitgeberin und Betriebsrat hatten daraufhin Gespräche über „Return to Office“ und mobiles Arbeiten, die allerdings erfolglos blieben. Daraufhin ordnete die Arbeitgeberin am 31.3.2023 vier Präsenztage pro Monat sowie Präsenz bei Vorliegen bestimmter betrieblicher Gründe an.

Der Betriebsrat beantragte im Eilverfahren vor dem Arbeitsgericht München die Unterlassung der Anordnung des Arbeitgebers. Das ArbG hielt den Antrag des Betriebsrats für unbegründet.

Das sagt das Gericht

Das LAG München hält die Beschwerde des Betriebsrats dagegen für begründet.

Homeoffice: Mitbestimmen bei der Ausgestaltung

Nur das „ob“ der mobilen Arbeit ist mitbestimmungsfrei, nicht das „wie“ (§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG, „Ausgestaltung“). Die Anordnung von vier Präsenztagen betrifft nicht die Gesamthöhe der mobilen Arbeit, sondern deren Ausgestaltung und Verteilung, so das LAG München. Die vier Tage sollen nicht festgelegt, sondern im Team – also nicht nur mit dem Vorgesetzten – abgesprochen werden. Durch einen Präsenzkatalog werden Anlässe für die Präsenz vorgegeben und damit für die Verteilung der vier Tage. Mobiles Arbeiten soll von dem persönlichen Bedarf des Beschäftigten und den geschäftlichen Notwendigkeiten abhängen.

Diese inhaltlichen Vorgaben existierten in der Betriebsvereinbarung von 2016 nicht. Dort gab es bzgl. des „wie“ nur „in Abstimmung mit dem Vorgesetzten“. Für diese inhaltliche Erweiterung der Betriebsvereinbarung von 2016 hätte es einer Einigung mit dem Betriebsrat bedurft, so das Gericht.

Anrufung der Einigungsstelle

Die Arbeitgeberin argumentiert zwar, dass sich der Betriebsrat in den gemeinsamen Gesprächen zur mobilen Arbeit nicht eingebracht habe und er deshalb einer einseitigen Regelung durch die Arbeitgeberin nicht entgegentreten könne. Nach den erfolglosen Gesprächen mit dem Betriebsrat über mobiles Arbeiten hätte die Arbeitgeberin aber zunächst die Einigungsstelle nach § 87 Abs. 2 BetrVG für eine einvernehmliche Lösung anrufen müssen, so das Gericht.

Unterlassungsanspruch des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat wegen Verstoßes gegen sein Mitbestimmungsrecht bei mobiler Arbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG) ein Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber. Ein solcher Anspruch ergibt sich aus § 2 BetrVG, der ein Gebot partnerschaftlicher Zusammenarbeit und wechselseitiger Rücksichtspflichten enthält. Da der Arbeitgeber den Betriebsrat bei der Ausgestaltung der mobilen Arbeit übergangen hat, darf er die vier Präsenztage nicht anordnen.

Hinweis für die Praxis

Der Betriebsrat hat bisher nur im Eilverfahren Recht bekommen. Das Hauptsacheverfahren bleibt abzuwarten.

© bund-verlag.de (kh)

Quelle

LAG München (10.08.2023)
Aktenzeichen 8 TaBVGa 6/23

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