Ohne erneutes BEM kann eine Kündigung unwirksam sein
Erkrankt ein Beschäftigter nach Abschluss eines BEM nochmals länger als sechs Wochen, muss der Arbeitgeber das Verfahren erneut durchführen – auch innerhalb eines Jahres. Verzichtet er darauf, ist die Kündigung unwirksam – so das BAG.
Das war der Fall
Ein Produktionshelfer war nach langjähriger Beschäftigung mehrfach für längere Zeit krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Im März 2019 führte er mit seiner Arbeitgeberin ein Gespräch zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM). Kurz nach diesem Gespräch erkrankte der Produktionshelfer erneut über mehrere Monate. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis. Sie war insbesondere der Auffassung ein erneutes BEM habe sie vor dem Kündigungsausspruch nicht durchführen müssen. Der Arbeitnehmer berief sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung.
Das sagt das Gericht
Die Kündigung ist unverhältnismäßig, nicht sozial gerechtfertigt und damit unwirksam. Die Arbeitgeberin sei verpflichtet, die Initiative für ein erneutes BEM zu ergreifen, selbst wenn sie bereits im März 2019 ein BEM mit dem Arbeitnehmer durchgeführt habe. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt. Solche Maßnahmen können die Umgestaltung des Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen, seinem Gesundheitszustand entsprechenden Arbeitsplatz sein. All dies muss in einem BEM ermittelt werden.
Der Arbeitgeber muss daher nach dem SGB IX grundsätzlich ein neues BEM durchführen, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines BEM erneut länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war, und zwar auch dann, wenn nach dem zuvor durchgeführten (abgeschlossenen) BEM noch kein ganzes Jahr vergangen ist. Dies gelte – so die Richter – auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit über den Abschluss des vorherigen BEM hinaus ununterbrochen weitere mehr als sechs Wochen angedauert habe. In dem Zeitraum der erneuten Arbeitsunfähigkeit können sich neue Erkenntnisse zu den Krankheitsursachen des Beschäftigten und damit u.a. auch neue Möglichkeiten zu einer Weiterbeschäftigung ergeben.
Zwar habe der Arbeitgeber die Möglichkeit darzulegen, dass das bereits abgeschlossene BEM kein positives Ergebnis erbracht habe und sich daraus ableiten lasse, dass auch ein erneutes BEM nutzlos gewesen wäre. Hierfür trage jedoch der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Die Arbeitgeberin habe im vorliegenden Fall lediglich darauf hingewiesen, dass es keinen leidensgerechten Arbeitsplatz gäbe. Dies genüge den Anforderungen eines umfassenden und konkreten Vortrages nicht, sodass die Arbeitgeberin im Ergebnis ein weiteres BEM hätte durchführen müssen.
Das muss der Betriebsrat wissen
Eine krankheitsbedingte Kündigung setzt grundsätzlich ein vorheriges BEM voraus. Das BEM soll den Ursachen von krankheitsbedingten Fehlzeiten von Beschäftigten nachgehen und nach Möglichkeiten suchen, diese künftig zu vermeiden oder zu verringern, vgl. § 167 Abs. 2 SGB IX. Neuerdings haben Beschäftigte auch die Möglichkeit, eine Vertrauensperson eigener Wahl (z.B. ein Betriebsratsmitglied, die SBV) zum BEM hinzuzuziehen.
Das BAG hebt mit dieser Entscheidung nun außerdem hervor, dass der Arbeitgeber das BEM auch nach Abschluss eines erfolglosen Verfahrens und nochmaliger länger als sechs Wochen durchgängiger oder wiederholter krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit innerhalb eines Jahres erneut durchzuführen hat.
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Quelle
BAG (18.11.2021)
Aktenzeichen 2 AZR 138/21