Ohne betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) sind krankheitsbedingte Kündigungen meist unzulässig. Anders sieht es aus, wenn der Betroffene das BEM ablehnt. Allerdings muss der Arbeitgeber ihn dafür ordnungsgemäß zum BEM eingeladen haben. Fehler und auch Datenschutzverstöße gehen zu Lasten des Arbeitgebers – so das LAG Baden-Württemberg.
Darum geht es
Ein Facharbeiter einer größeren Produktionsfirma in Süddeutschland ist immer wieder über längere Zeit krank (ca. 40 Krankheits-Tage pro Jahr). Der Arbeitgeber lädt ihn zu einem BEM ein, worauf dieser nicht reagiert. Der Arbeitgeber kündigt den Angestellten daraufhin wegen Krankheit. Die Gesundheitsprognose sei negativ, die Entgeltfortzahlungsbelastungen für ihn als Arbeitgeber erheblich. Gegen die Kündigung wendet sich der Beschäftigte.
Das sagt das Gericht
Die Kündigung ist unzulässig. Die erheblichen Fehlzeiten hätten – so das Gericht – für eine negative Gesundheitsprognose und damit eine Kündigung wegen Krankheit ausgereicht. Allerdings hat der Arbeitgeber das für die Kündigung notwendige BEM-Verfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet. Es fehlte an der datenschutzrechtlichen Aufklärung über die Verwendung der Gesundheitsdaten.
In das Einladungsschreiben zum BEM müssen Hinweise:
- dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes BEM durchführen zu können.
- welche Krankheitsdaten – als sensible Daten iSv. Art. 9 Abs. 1, 4 Nr. 15 DSGVO – erhoben und gespeichert werden
- inwieweit und für welche Zwecke die Gesundheitdaten dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden.
Die Gesundheitsdaten dürfen außerdem nur einem engen Personenkreis im Unternehmen bekannt gemacht werden. Entsteht der Eindruck, dass der Arbeitgeber auch andere Personen einbeziehen will, so geht das zu seinen Lasten.
Das muss der Betriebs- oder Personalrat beachten
Das BEM soll dem Beschäftigten helfen (§ 167 Abs. 2 SGB IX). Es dient dazu, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und einen »leidensgerechten« Arbeitsplatz zu finden. Das BEM-Verfahren kann nur mit Zustimmung des Betroffenen durchgeführt werden, der zudem jederzeit das Verfahren abbrechen oder aussetzen kann. Seit letztem Jahr können Beschäftigte zudem eine Vertrauensperson (bspw. einen Anwalt) hinzuzuziehen.
Der Arbeitnehmer muss allerdings im Vorfeld des eigentlichen BEM im Rahmen eines Einladungsschreibens über diverse Dinge aufgeklärt werden. Dazu zählen die Ziele des BEM und die Art und der Umfang der erhobenen und verwendeten Daten. Hier kommt es oft in der Praxis zu Versäumnissen und Fehlern, weswegen viele BEM-Verfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet werden!
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Quelle
LAG Baden-Württemberg (20.10.2021)
Aktenzeichen 4 Sa 70/20